1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Glückseligkeit in der Zirkus-Manege

Weshalb gestandene Männer gerne in den Zirkus gehen Glückseligkeit in der Zirkus-Manege

Wer heute einen Zirkus am Laufen halten will, muss einen langen Atem
haben. Vorbei ist die Zeit der vollen Manegen, zumindest in kleinen
Betrieben. Zirkus ist Kulturgut, sagen die Zerbster Zirkusfreunde und
engagieren sich für dessen Erhalt.

Von Franziska Werner 29.01.2014, 02:26

Zerbst l Immer wenn der Zirkus in die Stadt kam, stand Klaus Thielen aufgeregt mit der Oma am Fenster. Einmal im Jahr, manchmal auch öfter, zogen Zirkusleute mit ihren großen Wagen, Elefanten und anderen wilden Tieren karawanenartig vom Zerbster Bahnhof bis in den Schlossgarten. Dort war früher der Zirkusplatz.

Aeros, Busch oder Berolina - wer als Kind in der DDR groß geworden ist, bekommt bei diesen Namen leuchtende Augen. Hinter ihnen verbirgt sich jedes Mal der Staatszirkus der DDR, der auch oft in Zerbst gastierte. Unter den Namen Rolando oder Olympia tingelnten damals auch schon private Zirkusse durch das Land.

"Jeder Mensch sollte versuchen, sich die Kindheit ein bisschen zu erhalten."

Reinhard Ribbe

Klaus Thielen und sein Mitstreiter Reinhard Ribbe haben sie alle gesehen. Die Jungs von damals sind inzwischen groß geworden, doch die Leidenschaft für den Zirkus, die ist geblieben. Früher gingen die beiden mit ihren Kindern in die Zirkusvorstellungen, heute nehmen sie schon die Enkeltöchter mit.

"Jeder Mensch sollte versuchen, sich die Kindheit ein bisschen zu erhalten", begründet Reinhard Ribbe seine Leidenschaft für den Zirkus. Sein größter Traum wäre es, einmal zum Zirkusfestival nach Monte Carlo zu reisen. "Leider ist das ziemlich teuer", ergänzt sein Kollege. Für Zirkusfreunde muss eine Reise zum größten Zirkusfestival der Welt ein bisschen wie eine Reise nach Mekka sein.

Über die Jahre haben sich für Ribbe und Thielen vielfältige Kontakte in die Zirkusszene ergeben. Zu der Zirkusfamilie Sperrlich bestehe eine enge Freundschaft. "Wir kennen uns ja vor Ort gut aus und geben deshalb den Zirkusleuten auch schon mal den einen oder anderen Tipp, wo sich ein Auftritt lohnen könnte", sagt Klaus Thielen.

Weil bei vielen die Einnahmen aus dem regulären Zirkusbetrieb nicht mehr reichten, würden viele Zirkusse inzwischen mit Schulen kooperieren, um dort Projektwochen zu veranstalten. "Das ist eine ganz tolle Sache", findet Klaus Thielen. "Die Kinder lernen eine ganze Woche lang kleine Kunststücke, oder wie man zwei Ziegen an der Leine herumführt und haben ihren Spaß dabei. Später wollen sie dann oft mit den Eltern in eine Zirkusvorstellung, so meine Beobachtung."

Weil das Zirkusgeschäft zunehmend härter werde, hätten sich unter die Zirkusfamilien bisweilen schwarze Schafe geschlichen, so Ribbe und Thielen. "Manche locken ihr Publikum mit falschen Versprechen", erklärt Klaus Thielen. "Da steht dann im Programmheft etwas von einer Live-Kapelle und in Wahrheit haben die gar keine." Auch würden Werbeplakate kursieren, die wilde Tiere abbilden, die der beworbene Zirkus aber gar nicht in seinem Repertoire habe. "Dagegen haben wir etwas, weil solche Leute den anständigen Zirkusfamilien schaden", sagt Reinhard Ribbe.

Wenig Bedenken haben Ribbe und Thielen zum Thema artgerechte Haltung in Zirkussen. "Der Amtstierarzt kommt immer, wenn der Zirkus in der Stadt ist, um zu gucken, ob die Bestimmungen eingehalten werden", so Thielen. Ein Flußpferd in einen Container zu pferchen, nur mit einem Trog Wasser, sowas sei gewiss nicht richtig. "Aber man muss auch sehen, dass der Zirkus der Arterhaltung dient. In freier Wildbahn könnten viele Tiere nicht mehr überleben." Wenig Verständnis haben beide deshalb für Tierschützer, die das zur Schau stellen von Wildtieren in Zirkussen generell kritisieren: "Solche Leute sind oft nur auf Randale aus, ein bisschen wie im Fußballstadion", meint Klaus Thielen. Für Kinder sei es schließlich "eine ganz normale und gute Sache, mal einen Tiger oder Löwen gesehen zu haben".