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Amtsgericht Zerbst verhandelt fahrlässige Tötung 23-Jähriger will helfen und wird selbst Opfer

Von Karolin Aertel 20.01.2011, 05:29

Bei einem schweren Verkehrsunfall auf der A9 Höhe Anschlussstelle Coswig kamen am 16. Januar 2009 zwei Menschen ums Leben. Zunächst kollidierte ein Audi mit einem Lkw. Als der 23-jährige Pascal H. zu Hilfe eilen wollte, wurde der junge Mann von einem nachfolgenden Auto erfasst. Jens F., der als Fahrer dieses nachfolgenden Autos vermutet wird, wurde nun der fahrlässigen Tötung angeklagt. Die Verhandlung begann am Dienstag im Amtsgericht Zerbst unter Richterin Kathrin Benedict.

Zerbst. Vor zwei Jahren verlor der 23-jährige Pacal H. bei einem schweren Verkehrsunfall sein Leben. Der junge Mann war an einem Freitag- abend auf der A9 unterwegs und wollte von Berlin nach Erfurt fahren, um einen Freund zu besuchen. Begleitet wurde er von drei Berliner Studenten – Björn H., Christoph S. und Markus K. Erst kurz vorher hatten sich die jungen Männer kennengelernt und eine Fahrgemeinschaft gebildet.

Es quietschte, knallte und Funken flogen

Auf der Autobahn – Höhe Anschlussstelle Coswig – bemerkten die vier einen verunfallten Pkw auf der linken Fahrspur, der unbeleuchtet kaum zu sehen war. Dieser war kurz zuvor mit einem Lkw kollidiert, welcher einige Meter weiter auf dem Standstreifen zum Stehen kam. Pascal H. und seine Mitfahrer hielten kurzerhand an, um erste Hilfe zu leisten. "Wir sind zum Kofferraum, um das Warndreieck rauszuholen. Pascal hat sich eine Decke geschnappt und ist über die Autobahn zum Unfallopfer gelaufen", erzählt Markus K. der Richterin Kathrin Benedict, die den Fall am Amtsgericht Zerbst verhandelt.

Während Pascal H. am Unfallwagen erste Hilfe leisten wollte, gingen die drei Studenten, das Warndreieck emporhaltend und wild mit den Armen winkend, auf dem Standstreifen, um den nachfolgenden Verkehr zu warnen. Und dann sei alles ganz schnell gegangen, erzählt Markus K. "Ein Auto kam angeschossen, es quietschte, knallte, überall flogen Funken und Scherben und dann sind wir einfach nur in Deckung gegangen", so der Zeuge.

Jens F. fuhr auf Unfallwagen auf

Was ist passiert? Der Dessauer Jens F. war auf den Unfallwagen aufgefahren. Dieser wurde mehrere Meter weit geschleudert und kam auf der rechten Spur ohne Tür zum Stehen. Ein Insasse des Wagens wurde erst nach dem Eintreffen der Rettungskräfte tot in der Mittelleitplanke gefunden.

Beinah zeitgleich fuhren ein VW-Bus und ein Skoda in die Unfallstelle. Während der Bus noch unbeschadet zum Stehen kam, schildert der Skoda-Fahrer Dirk M., der sich auf der Mittelspur befand: "Ich habe nur noch eine Rauchwolke gesehen, gebremst und dann hat es geknallt." Noch völlig benommen und im Schockzustand habe er in den Rückspiegel geschaut und eine Person auf der Fahrbahn liegen sehen. Es war Pascal H.

Für das Gericht gilt es nun zu klären, ob Pascal H. von dem Auto von Jens F. erfasst wurde, dem der Anklage zufolge fahrlässige Tötung vorgeworfen wird, oder ob Pascal H. vielleicht gerade die Fahrbahn verlassen wollte und in Folge dessen dem Skodafahrer Dirk M. vors Auto lief.

Sollte Jens F. für schuldig befunden werden, drohen ihm eine Geld- oder gar bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Aufschluss über den detaillierten Unfallhergang sollen nun DNA-Spuren an den Autos geben. Bis zum nächsten Verhandlungstermin am 25. Februar um 9 Uhr im Saal 1 des Zerbster Amtsgerichtes wird der Rechtsmediziner Dr. med Dankwart Stiller das Blut, das sich an den Fahrzeugen befand, untersuchen und dem Opfer Pascal H. zuordnen. Zudem werden die Gutachten der Dekra Automobil GmbH, des Sachverständigen Frank Wigrim und die Fotos des Landeskriminalamtes hinzugezogen.

Pascal starb, als er ein Leben retten wollte

Für die Eltern des verstorbenen Pascal H., die als Nebenkläger auftreten, bedeutet dies einen weiteren Akt in dieser Tragödie. Während der Verhandlung versuchen sie – den Tränen nah – die Fassung zu bewahren. In der Pause sucht die Mutter des Verunglückten das Gespräch mit den Jugendlichen, die ihren Sohn als letzte lebend gesprochen haben. "Was hat er erzählt?", fragt sie. "Wie schnell seid ihr gefahren?" Dass ihr Sohn ums Leben kam, weil er einem anderen Menschen das Leben retten wollte, ist für sie nur schwer zu ertragen. "Aber so war er", sagt sie. "Spontan und hilfsbereit."