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Stadt Zerbst kündigt Bodennutzungsverträge Pächter wollen Garagen behalten

Frank Möhring traute seinen Augen nicht. Die Stadt hat den langjährigen Pachtvertrag für die Familiengarage gekündigt. Wie ihm geht es vielen seiner Garagennachbarn. Auch die verstehen das Stadtverhalten nicht so ganz.

Von Sebastian Siebert 21.04.2015, 03:22

Zerbst l Seit Mitte der 1970er Jahre gehört der Familie von Frank Möhring eine Garage an der Güterglücker Straße in Zerbst. Dort war damals ein ganzer Garagenkomplex entstanden. Das Land wurde zur Verfügung gestellt, die Garagen in Eigenleistungen errichtet. "Mein Vater hat die Garage selbst gebaut", sagt Möhring. Seit der Wende verpachtet die Stadt das Land an die Garagenbesitzer.

Nun soll er die Garage aufgeben. "Wir haben eine Kündigung des Pachtverhältnisses erhalten", erklärt Möhring, der die Garage nutzt. Der Pachtvertrag war erst kürzlich auf seine Mutter umgeschrieben worden, nachdem sein Vater verstorben war. "Und nun kommt die Kündigung", sagt er. Er wendet sich an die Stadtverwaltung. Dort sei ihm im Wesentlichen nur das gesagt worden, was eh im Schreiben stehe.

Gekündigt werde das Verhältnis zum 31. Dezember 2015. Er habe die Möglichkeit, die Garage abzureißen, sollte er das nicht tun, gehe sie automatisch in den Besitz der Stadt über. Die Stadt reiße die Garage dann ab und stelle ihm die Hälfte der Abrisskosten in Rechnung.

"Ich fühle mich enteignet", sagt der Pächter und ist entschlossen, gegen die Kündigung vorzugehen. "Die Stadt argumentiert, dass die Garagen nur noch als Gerümpelbude dienen. Das ist bei mir aber nicht so. Ich habe dort Fahrzeuge untergebracht und brauche die Garage dringend."

Wenigstens eine andere Garage hätte ihm doch angeboten werden können. Doch habe es nur geheißen, dass er sich selbst darum kümmern müsse, berichtet er.

So streitbar wie Möhring sind längst nicht alle Pächter. Sein Nachbar ist Peter Bittner. Der 75-Jährige parkt sein Auto in der Garage. "Ich habe diese Garage hier selbst gebaut", sagt er. 1975 sei das gewesen. Jeden Tag komme er mit dem Rad zur Garage, holt dort das Auto heraus und holt dann seine Frau ab. Er müsse sie oft zum Arzt fahren, in Zerbst gebe es ja nicht mehr alle Fachrichtungen. Ein Augenarzt fehle beispielsweise. Da sei ein Auto schon wichtig.

Mit dem Rad das Auto zu holen, daran habe er sich gewöhnt, erzählt er weiter. Im Stadtkern, wo er wohne, seien die Parkplätze auch begrenzt. "Erst recht, wenn alle ihre Autos hier aus den Garagen holen und dann auch in der Stadt abstellen müssen", fügt er an.

Schulterzuckend erzählt er weiter, dass er bereits begonnen habe, die Garage auszuräumen. "Jeden Tag ein bisschen, sonst schaff` ich das nicht mehr rechtzeitig", sagt er weiter. Ein wenig Werkzeug habe er dort in einer alten Schrankwand verstaut.

Was er mit den Winterreifen mache, wisse er noch nicht. Sein anderer Nachbar, so erzählt Bittner, habe seine Garage schon ausgeräumt.

"Der war über die Kündigung so wütend, dass er in zwei Tagen alles beräumt hat. Der wollte es hinter sich bringen", erzählt Bittner. Ganz überraschend komme es für Bittner allerdings nicht. Schon 2001 habe er sich beim damaligen Bürgermeister Helmut Behrendt erkundigt, ob er sein Garagentor neu streichen könne. "Das lohnt nicht mehr", habe dieser geantwortet.

Nun sollen von den 229 Garagen an der Güterglücker Straße zunächst 51 abgerissen werden. Insgesamt seien 33 Pachtverträge gekündigt worden, übermittelt Stadtsprecherin Antje Rohm eine Antwort aus der Stadtverwaltung. "Die Garagen werden überwiegend nicht mehr zum Abstellen von Pkw genutzt. Bei einer Reihe von Garagen ist die Stadt Zerbst/Anhalt inzwischen auch Eigentümer durch Kündigung der Bodennutzungsverträge durch die Pächter, die ihre Garagen bereits in einem desolaten Zustand übergaben", heißt es dort weiter. "Es gibt zunehmend Beschwerden von Garagennachbarn, die durch undichte Dächer et cetera solcher nun städtischer Garagen in Mitleidenschaft gezogen werden."

Diese Instandsetzungsmaßnahmen könne die Stadt nicht leisten. In der jetzt relevanten Reihe gehören der Stadt inzwischen 35 Prozent der Garagen.

Auch an Pächter wie Frank Möhring ist dabei offenbar gedacht worden. "Alternativangebote werden derzeit geprüft", steht in der schriftlichen Antwort. "Die Interessenten können sich an die städtische Wohnungsgesellschaft BWZ wenden. Bei entsprechendem Bedarf soll der Neubau von Garagen auf BWZ-eigenen Grundstücken gegebenenfalls ermöglicht werden", heißt es in der Stadterklärung weiter.

Auf die Frage, ob der Komplex an der Güterglücker Straße ein Einzelfall sei, hieß es: "Der hohe Leerstand in den Garagenkomplexen außerhalb des Ortskerns von Zerbst ist ein allgemeines Problem. Das heißt, auch in anderen Bereichen wird zukünftig über den Abriss weiterer Garagen nachgedacht werden müssen."

Pläne für die Flächen gebe es übrigens nicht, lässt die Verwaltung weiter mitteilen. Denkbar sei es, die Flächen für Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen anderer Bauprojekte zu nutzen, heißt es auf Nachfrage der Volksstimme.