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Interview mit Bert Siegmund im Rückblick auf die 13. Internationalen Fasch-Festtage Hofkapellmeister wirkt auf Baustelle

25.04.2015, 01:21

Die 13. Internationalen Fasch-Festtage sind vorbei. Im Rückblick auf das gelungene Barockmusikfestival unterhielt sich Daniela Apel mit Bert Siegmund. Der Präsident der Internationalen Fasch-Gesellschaft erzählte vom Musenhof Zerbst, neuen Erkenntnissen und ungelösten Rätseln.

Die Fasch-Festtage standen unter dem Motto "Musenhof Zerbst" - wie stellte sich der anhaltinische Musenhof dar?

Bert Siegmund: Am Zerbster Hof spielten Kunst und Kultur eine wichtige und - besonders zur Zeit Johann Friedrich Faschs - eine im Vergleich zu den anderen anhaltinischen Höfen bedeutendere Rolle im höfischen Alltag. Die Musen als Schutzgöttinnen der Künste waren in Zerbst also durchaus zu Hause. Allerdings muss auch festgestellt werden, dass die Künste hier im Dienste der fürstlichen Repräsentation standen, zur Demonstration des sozialen Status und des Machtanspruches der Zerbster Herrscher sowohl gegenüber anderen Fürstentümern als auch gegenüber den eigenen Untertanen genutzt wurden. Dies stellt einen wichtigen Unterschied zu einem reinen Musenhof im wissenschaftlichen Sinne dar.

Welche Künste wurden von den Zerbster Fürsten besonders gefördert?

Hier wären zunächst die Architektur und die mit ihr in engem Zusammenhang stehenden Künste wie Malerei, Gartenbaukunst und Bildhauerei zu nennen, die bei der Errichtung und Ausgestaltung des Residenzschlosses ein großes Betätigungsfeld hatten. Aber auch die Musik hatte einen außerordentlich guten Stand bei Hofe.

Welche Stellung nahm Johann Friedrich Fasch (1688-1758) im Musenhof ein?

Fasch war Hofkapellmeister und damit einer der höheren Bediensteten. Er hatte dafür zu sorgen, dass die Hofkapelle stets ausreichend über aktuelle Musik verfügte. Zu diesem Zweck komponierte er selbst oder beschaffte Noten von damals europaweit berühmten Komponisten. Dann studierte er die Werke mit der Hofkapelle ein und leitete die Aufführungen.

Warum entschieden sich die Zerbster Fürsten gerade für ihn als Hofkapellmeister?

Der Gothaer Hofkapellmeister Gottfried Heinrich Stölzel - Faschs Jugendfreund - hatte Fasch nach Zerbst empfohlen. Hilfreich waren bei der Berufung auch die verwandtschaftlichen Beziehungen der Zerbster Fürstenfamilie zu den Herzögen von Sachsen-Gotha und Altenburg.

Welche weiteren Erkenntnisse erbrachte die wissenschaftliche Konferenz?

Die sechzehn Referate waren thematisch sehr breit gefächert. Durch die "Musenhof"-Thematik gab es insbesondere viele neue Erkenntnisse zum kulturell-künstlerischen Umfeld Faschs, aber auch zu Überlieferungswegen von einzelnen Werken und, auf der Basis der Dokumente im Archiv von St. Bartholomäi, zu den konkreten Lebensumständen des Zerbster Hofkapellmeisters.

Welcher neue Fakt hat Sie besonders überrascht?

Dass Fasch in einer Phase enormer Bautätigkeit am Zerbster Hof wirkte. Die Schlosskapelle war kurz vor seinem Amtsantritt fertig geworden, das Schloss wurde insgesamt gerade baulich erweitert, im Schlosspark entstanden nach und nach verschiedene Gebäude - Fasch arbeitete quasi auf einer Baustelle.

Welches Rätsel ist nach wie vor ungelöst?

Eine Frage, die uns Musikwissenschaftler immer wieder umtreibt, ist: Gibt es noch irgendwo ein unerschlossenes Archiv oder einen Notenbestand, in dem sich eine Anzahl von bisher unbekannten Werken Faschs erhalten hat? Und lässt sich vielleicht doch ein Bild von Johann Friedrich Fasch entdecken, auch wenn nach bereits vielen Forschungen mittlerweile kaum noch Aussicht auf Erfolg besteht?

Kommen wir zu den Konzerten - wie zufrieden sind sie mit der Besucherresonanz?

Die Besucher, die bei den Konzerten waren, waren in aller Regel begeistert. Aber: Es hätten durchaus mehr Zuhörer sein können. Sehr gut besucht waren die kleinen Konzertsäle, aber bei den Konzerten im großen Katharina-Saal blieben doch einige Plätze leer. Hier ist also noch Luft nach oben, und die Internationale Fasch-Gesellschaft wird gemeinsam mit der Stadt Zerbst nach Wegen suchen, die Menschen noch besser anzusprechen. So führt zukünftig meiner Meinung nach kein Weg mehr an einem Internet-Ticketportal vorbei.

Welches Konzert hat Sie am meisten beeindruckt?

Das ist wirklich schwer zu sagen. Das von phänomenaler Virtuosität geprägte Konzert von "La Ritirata" war sicher einer der Höhepunkte. Aber auch die neuzeitliche Erstaufführung der Johannespassion war in Verbindung mit dem Gedenken an den 70. Jahrestag der Zerstörung Zerbsts im Zweiten Weltkrieg ein sehr eindrückliches Erlebnis.

In zwei Jahren gibt es die nächsten Fasch-Festtage - gibt es dafür schon irgendwelche Pläne?

Nach den Festtagen ist vor den Festtagen! Die 14. Internationalen Fasch-Festtage sind für den 20. bis 23. April 2017 vorgesehen und werden unter dem Titel "Von Luther bis Fasch" die Kirchenmusik des Zerbster Hofkapellmeisters und sein Verhältnis zu den Konfessionen beleuchten, mit denen er im Laufe seines Lebens Kontakt hatte. Aber natürlich gibt es nicht nur Kirchenmusik zu hören, sondern die gesamte Bandbreite seines musikalischen Werkes wird in den Konzerten wieder präsent sein.