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"Dialog im Boot" beschäftigt sich mit der Zukunft von Wasserwirtschaft und Naturschutz Ist denn die Elbe immer noch die selbe?

20.06.2015, 01:13

Wie geht es mit der Elbe weiter? Diese Frage wird mit dem "Gesamtkonzept Elbe" schon seit vielen Jahren intensiv diskutiert. Naturschützer fordern konkrete Ergebnisse und den Stop des Ausbaus der Wasserstraße.

Zerbst/Roßlau l Ein graues Schlauchboot aus längst vergangenen DDR-Zeiten liegt am Ufer der Elbe. Es soll die Teilnehmer von "Dialog im Boot" von Roßlau nach Brambach bringen. Ein letztes Mal füllt Kapitän Ingo Säubert Luft nach, dann heißt es: "Einsteigen bitte!" Die Veranstaltung wird bereits seit 14 Jahren von Ernst-Paul Dörfler und Iris Brunar organisiert. Die beiden sind für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ständig im Einsatz, um die Zukunft der Elbe mitzugestalten. Das graue Boot dient dabei als Plattform, um intensiv zu diskutieren.

Obwohl das Wetter dazu einlädt, den Blick durch die Elbauen schweifen zu lassen, gibt es dazu kaum Gelegenheit. Regina und Manfred Wecke, Makrofotografen aus Köthen, erklären bei der Vorstellungsrunde: Die Elbe soll erhalten bleiben. Was es hier alles gibt, ist unglaublich. Diese Meinung teilen alle Bootsgäste. Die meisten arbeiten beim Umweltbundesamt oder sind beim Bündnis 90/Grüne aktiv. In etwa zehn Metern Entfernung taucht plötzlich ein dunkler Kopf aus dem Wasser auf. Ein Biber begleitet die Naturschützer ein Stück weit und sorgt für Ablenkung. Das ist der Grund, warum der "Dialog im Boot" nicht am runden Tisch stattfindet. Das Erlebnis Elbe macht klar, wo es hakt und wie es weitergehen kann.

Eines fehlt: Auf der gesamten Tour fährt nicht ein Binnenschiff am Schlauchboot vorbei. Schuld daran ist das Niedrigwasser. "Das haben wir aber eigentlich jedes Jahr, nur diesmal ist es extrem früh dran", erklärt Georg Rast vom World Wide Fund for Nature (WWF) den Teilnehmern.

"Lohnt sich die Binnenschifffahrt denn überhaupt noch, wenn das Niedrigwasser immer weiter zunimmt?", fragt Jan Prignitz vom Umweltbundesamt. Es sei ein Streitpunkt, ob das Niedrigwasser tatsächlich zugenommen habe, sagt Georg Rast. Bei Mittelgebirgsflüssen wie der Elbe sei das absolut keine Seltenheit. "In Trockenjahren bricht der Verkehr auf der Wasserstraße allerdings ein und erholt sich auch nicht wieder", erklärt Ernst-Paul Dörfler.

Im Gesamtkonzept Elbe, das seit vielen Jahren erarbeitet wird und noch immer kein Ergebnis geliefert hat, ist festgeschrieben, dass die Elbe umweltverträglich genutzt werden soll. Diese Nutzung setzt eine Wassertiefe von 1,60 Metern voraus. "Diese Zahl ist nicht haltbar, wir erreichen hier höchstens 1,20 Meter", so Georg Rast. In der Verwaltung würde sich seiner Ansicht nach nur niemand trauen, das mal auszusprechen. "Wir bekommen auch als Umweltbundesamt keine klaren Aussagen", wirft Stephan Naumann, Fachmann für Binnengewässer des Umweltbundesamtes in Dessau, ein.

Angler, Kanuten, aber auch die Reiher am Ufer beobachten erstaunt die Menschengruppe, die sich über die Elbe treiben lässt. Die Naturschützer lassen sich davon nicht weiter stören und sprechen über das vielleicht größte Problem der Elbe: Sie schafft ihre Auen durch Sohlerosion selbst ab. Dadurch, dass große Teile der Elbe durch ein vor fast 200 Jahren künstlich geschaffenes Flussbett fließen, sinkt der Wasserspiegel. Grund dafür sind die quer zur Strömung vom Ufer in den Fluss hineinragenden Buhnen. Das Wasser fließt schneller durch und reißt zuviel Sediment (Steine, Sand) mit sich. Die Elbauen, die vor allem bei Touristen, die den Elberadweg nutzen, beliebt sind, werden dadurch nicht ausreichend mit Wasser versorgt und sterben ab.

Und wenn die Aue nicht mehr da wäre, würde sie auch keinen Lebensraum mehr für zahlreiche Tiere bieten. "Könnte man denn die Aue nicht einfach ausbaggern?", fragt Georg Rast. Ernst-Paul Dörfler lehnt diesen Vorschlag kategorisch ab. Es sei auch nicht möglich, Sedimente, die im Hamburger Hafen anfallen, zurück zur Elbe zu bringen. "Die sind stark belastet und müssen über den Sondermüll entsorgt werden", erklärt Experte Ingo Kirst vom Umweltbundesamt. Am besten wäre es, die seitlichen Begrenzungen der Elbe zu entfernen, um dem Fluss seinen natürlichen Lauf wiederzugeben. "Man kann viele Dinge machen, aber das wäre dann nicht kompatibel mit der Schiffbarkeit", fasst Stephan Naumann zusammen.

Dabei haben die Naturschützer an Bord viele Ideen für den Fluss. Mehr Sandbänke für Vögel ist nur eine davon. Allerdings sei das Tempo, in dem sich das Gesamtkonzept Elbe entwickle, sehr langsam, so Ernst-Paul Dörfler. Im Jahresrhythmus werde über die Elbe diskutiert und nach außen dringe davon fast nichts. Die Projektgruppe des Gesamtkonzeptes Elbe dreht sich somit um sich selbst. Laut Stephan Naumann scheitere vieles an finanziellen Aspekten, sowohl für die Binnenschifffahrt als auch für den Naturschutz. "Und eigentlich können wir darüber froh sein, da es uns die Möglichkeit zum Dialog gibt. Auf den Rhein stellt sich die Frage gar nicht, da dort ganz andere Interessen hinterstehen", sagt Stephan Naumann.

Nach rund vier Stunden Bootstour ist zwar nicht alles gesagt, aber dem Schlauchboot ist die Luft ausgegangen. In Brambach am Bootsanleger gibt es daher klare Anweisungen von Ingo Säubert: "Alle steigen nacheinander aus und nicht zu schnell!"

Das Gesamtkonzept Elbe findet sich zum Nachlesen im Internet auf den Seiten des Bundesverkehrsministeriums.