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Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau präsentiert Handelsatlas 2009 für Zerbst Viel zu viel Verkaufsfläche: Kunden vermissen Vielfalt

Von Andreas Mangiras 15.04.2010, 06:50

Fast ein Viertel der Verkaufsflächen in der Stadt Zerbst liegen im Stadtzentrum. Das ist Bestwert im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau ( IHK ). Die für den Handel verfügbare Kaufkraft ist seit 2003 in Zerbst um etwa ein Achtel auf 69 Millionen Euro gestiegen. Das geht aus dem aktuellen IHK-Handelsatlas 2009 hervor. Zugleich gibt es erhebliche Kritikpunkte : 20 Jahre nach der Wende hat die Stadt immer noch kein Konzept zur Entwicklung der Innenstadt. Zugleich vermisst die IHK im Zerbster Stadtzentrum eine gemeinsame Interessenvertretung der Gewerbetreibenden und Geschäftsleute.

Zerbst. Die Verkaufsflächen in Zerbst haben sich in den vergangenen drei Jahren um 705 Quadratmeter ( + 1, 7 Prozent ) auf 41 165 Quadratmeter erhöht. Bei anhaltendem Bevölkerungsrückgang und einer etwas über dem Landesdurchschnitt liegenden Kaufkraft liegt die Verkaufsflächenausstattung mit 2, 73 Quadratmetern je Einwohner deutlich über dem Bundesdurchschnitt ( 1, 4 ). Zu diesen Ergebnissen kommt die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau ( IHK ) in ihrem vorgestern Abend in Zerbst vorgestellten aktuellen Handelsatlas mit speziellem Blick auf die Situation des Einzelhandels in der Stadt Zerbst.

" Mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung besteht heute schon ein Überangebot an Verkaufsflächen und das vielfach an den falschen Standorten !", erklärte IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses, Edwin Sperling. " Nur ein konsequentes Handeln der Beteiligten zugunsten der Innenstadt wird Zerbst als Mittelzentrum weiter stärken. Dies ist notwendig, da Zerbst eine besondere Bedeutung für die Versorgung der Umlandregion hat. "

Massiv kritisierte Sperling die Stadt dafür, den am früheren DEA-Tankstellen-Standort an der B 184 entstehenden Aldi-Markt nicht in die Innenstadt gelenkt zu haben. Kunden würden mit einer solchen Politik davon abgehalten, in die Innenstadt zu kommen. Wie an der Ecke Breite / Wolfsbrücke oder am Markt / Fuhrstraße gebe es genügend Flächen. Die Kaufland-Ansiedlung an der Alten Brücke lobte Sperling. " Das ist ein Frequenzbringer und hat die Alte Brücke belebt. "

Dennoch gilt die Fußgängerzone als Sorgenkind. Dass das alte Kaufhaus abgerissen und aus dem Randbereich Schuhund Drogerieketten an diese Stelle drängen, wird als Chance und Hoffnung begrüßt. Bei " Plastetüten und Trainingshosen " dürfe es nicht bleiben, hieß es in der Runde der Geschäftsleute vorgestern Abend.

Wie im gesamten IHK-Bezirk gäbe es auch in Zerbst vor allem in der Innenstadt Flächenverluste. So habe die Verkaufsfläche im abgegrenzten

Innenstadtbereich mit 9 925 Quadratmetern einen Anteil von 24, 1 Prozent an der Gesamtverkaufsfläche. Damit liege Zerbst im Vergleich der Städte im IHK-Bezirk an erster Stelle.

" Das ist ein toller Wert ", lobte die stellvertretende IHKGeschäftsführerin Monika Grebenstein. Ihm müsse aber Kaufkraft entgegengesetzt werden. Zwar stieg die Kaufkraft von 2003 bis 2009 von 61 auf 69 Millionen Euro, lebt die Stadt auch stark von Kundschaft aus dem Umland, zugleich hat die IHK einen Kaufkraftabfluss in die großen Städte ermittelt. In der Kundenbefragung spielt dabei die Angebotsvielfalt eine große Rolle. Zwar gibt es ein enormes Überangebot an Verkaufsflächen, aber die Breite und das höherklassige Sortiment fehlen noch. Hier könne Mut die Innenstadt beleben und sich lohnen.

Wie im Landestrend wächst die Verkaufsfläche am Stadtrand. Gleichzeitig seien auch die Flächen bei Discountern um 17, 2 Prozent auf 5 795 Quadratmeter gestiegen, während sie bei Fachgeschäften um 5, 3 Prozent auf 6 330 Quadratmeter gesunken seien.

Dass die Stadt 20 Jahre nach der Wende noch kein Innenstadtentwicklungskonzept habe, sei ein Manko und räche sich, betonte IHK-Fachfrau Gudrun Loebe. Zugleich forderte sie die Geschäftsleute in der Innenstadt auf, sich zu organisieren. Im Gegensatz zu anderen Städten, etwa Köthen, gebe es keine Werbegemeinschaft. Für ein einheitliches Vorgehen, Absprachen zu Aktionen oder Öffnungszeiten und gemeinsames Auftreten gegenüber der Stadtpolitik sei dies aber wichtig.

" Vor allem Immobilienbesitzer, die über Nutzung, Mieter und Zustand ihrer Gebäude entscheiden, müssen stärker in Werbegemeinschaften eingebunden werden ", rät Monika Grebenstein. " Die Kunden erwarten in Zerbst die Transparenz und Verlässlichkeit, die sie in den Einkaufszentren rund um die Stadt gewohnt sind. "

Für die Innenstadtbelebung hat die IHK Handlungsempfehlungen formuliert. Fünf richten sich an Kommunen : Einzelhandels- und Zentrenkonzepte, um Investitionen zu lenken, Erreichbarkeit der Innenstädte sichern, Parkräume für Autokunden und ÖPNV-Anbindung anbieten, ausgewogener Branchen- und Funktionenmix, Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit, ein gutes Stadtmarketing.

• Passanten : – Angebotsvielfalt : 65 Prozent der befragten Passanten würden öfter in die Innenstadt kommen, wenn die Angebotsvielfalt größer wäre. 28 Prozent sagen Nein. Vermisst werden Bekleidung, Mode, Technik, Elektronik, Textilwaren, Möbel. – Attraktivität : Über die Hälfte der Befragten finden die Innenstadt befriedigend attraktiv ( 55 Prozent ), zwei Prozent finden sie sehr gut, 25 Prozent gut und 18 Prozent schlecht.

– Fachgerechte Beratung :

51 Prozent der befragten Passanten legen darauf besonderen Wert. Für 35 Prozent ist das nicht wichtig.

• Unternehmen : – Angebotsvielfalt : 56 Prozent der befragten Firmen wünschen sich eine größere Angebotsvielfalt, 22 Prozent sagen Nein. Vermisst werden Fastfood, Kindersachen, Unterwäsche und Bekleidung. – Attraktivität : 22 Prozent der Gewerbetreibenden in der Innenstadt urteilen mit gut, ebenso viele halten sie für schlecht, 56 Prozent halten die Attraktivität der Innenstadt für befriedigend.

– Selbstbetrachtung :

44 Prozent der befragten Geschäftsleute in der Innenstadt halten ihr eigenes Angebot, Service und Auftritt für gut, 45 Prozent für ausreichend. Elf Prozent wollen und müssen erweitern und nachbessern.