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Teil 4 der Volksstimme-Serie "Zerbster Juwelen" / Heute: Petra Fruth Jeder Meter atmet Geschichten

Von Judith Kadow 25.02.2011, 04:30

Es gibt unzählige Juwelen, die in Zerbst zu finden sind. Kleine verschlafene Ecken, große beeindruckende Bauwerke, Spuren historischer Persönlichkeiten, die mitunter erst auf den zweiten Blick zu sehen sind. Und es gibt engagierte Stadtführerinnen, die diese Juwelen interessierten Besuchern aus nah und fern zeigen. Auch sie sind Zerbster Juwelen.

Zerbst. 200: Dieser Zahl begegnet man in Zerbst häufiger. 200 Jahre lang war Zerbst Universitätsstadt, 200 Jahre lang auch Residenzstadt und 200 Jahre lang konnte kein Feind die Stadtmauer überwinden.

Jene Mauer, die die Innenstadt auf einer Länge von 4,2 Kilometern umgibt. "Es ist sehr selten, dass ein solch bedeutendes Bauwerk noch vollständig erhalten ist - bis auf das Loch", erzählt Petra Fruth, die im vergangenen Jahr den jüngsten Stadtführerkurs an der Kreisvolkshochschule besuchte und erfolgreich abschloss.

Die Stadtmauer ist für sie Geschichte pur auf 4200 Metern Länge. "Wo geht man entlang bei einem Spaziergang in Zerbst? Hier!", weiß die gebürtige Zerbsterin.

Eine besondere Stelle der Stadtmauer ist für sie die Marienpforte. Hier wird die Stadtmauer in ihrer einstigen Funktion spürbar, erlebbar. "Bei Führungen nehme ich die Besucher mit auf die Überbauung. Es ist ein toller Ausblick und vermittelt gut einen Eindruck, wie die Wächter früher hier entlang patrouillierten, sich in den Aufgängen aufwärmten." In der Dämmerung werden einzelne Lampen angezündet. Dann ergreift die Atmosphäre auch den letzten Gast. Doch vor allem die Zerbster Gruppen nutzen den Ausblick besonders gern. "Es ist ja schon ein Blick in die Gärten möglich und manch Zerbster schaut, wen man denn so kennt", erzählt die 59-Jährige.

Dass sie nun seit einigen Monaten als Stadtführerin tätig ist, kam eher durch einen Zufall. Mit dem Wechsel in die Altersteilzeit 2009 fiel ihr die Aufgabe zu, hier ein Treffen mit ehemaligen Kollegen zu organisieren. Das gibt es für sie jedes Jahr, immer in einer anderen Stadt. Nun war Petra Fruth an der Reihe und legte sich richtig ins Zeug. Sie dachte sich ein kleines kulturelles Programm aus, dass unter anderem einen Besuch in der Francisceumsbibliothek beinhaltete sowie einen kleinen Rundgang. Schon dabei tauchte sie kurz in die Geschichte ein, sammelte In-formationen, paukte ein paar Zahlen und Fakten. "Die Leute waren begeistert", erinnert sie sich. Und diese Begeisterung schlägt ihr noch heute bei den Stadtrundgängen entgegen. Denn Zerbst hat weit mehr zu bieten, als es eine Fahrt auf der B 184 durch die Rolandstadt vermuten lässt.

Etwa eine Woche später stand eine Meldung in der Zeitung, dass Teilnehmer für den nächsten Stadtführerlehrgang gesucht werden. "Eigentlich wollte ich einen Englischkurs belegen. Dann wurde es der Stadtführerkurs." Je tiefer sie in die Geschichte eintauchte, desto faszinierender wurde es. "Aber es steckt hinter einem Rundgang so viel mehr Arbeit als nur der Kurs", betont sie.

Wenn sie über Zarin Katharina spricht, braucht es beispielsweise auch Wissen über Friedrich II., der die junge Deutsche nach Russland "vermittelte". Die Rolle von Ernst von Mansfeld im Sturm auf die Zerbster Stadtmauer braucht ebenfalls Hintergrundwissen. "Da gab es ja auch noch weitere Namen, die mit dem 30-jährigen Krieg in Verbindung stehen. Worum ging es bei diesem Krieg, wer waren Wallenstein und Tilly?"

Auch wenn diese Fakten und Hintergründe nicht unmittelbar für die Rundgänge an der Stadtmauer gebraucht werden, so gehören sie für Petra Fruth doch dazu. "Es gibt immer etwas zu erzählen", sagt sie. Jeder Meter der Mauer atmet Geschichte. Und wenn nicht, beeindruckt die Natur die Gästegruppen.

Sie wünscht sich für dieses Jahr viele Besucher in Zerbst und somit auch viele Stadtführungen. "Das brauche ich einfach, um eine gewisse Routine zu entwickeln." Denn trotz allem Lesens und Lernens: Die Geschichte von Zerbst zu erleben, klappt am besten bei einer Stadtführung - im Gespräch mit den Besuchern, die nur zu gerne Fragen stellen können und sollen.

Bei Interesse können Stadtrundgänge in der Zerbster Tourist-Information unter Telefon (0 39 23) 76 01 78 oder 23 51 gebucht werden. Dort stehen mehrere Routen in unterschiedlichen Längen zur Auswahl.