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Die Entwicklung der Grundwassersituation am Beispiel Lindau-Süd Eine Extremsituation, der viele Faktoren zu Grunde liegen

Von Judith Kadow 23.04.2011, 04:27

Wasser dominiert das Leben. Tödlich, wenn es fehlt. Ganz fatal, wenn es zu viel gibt. In einer lockeren Serie nähert sich die Zerbster Volksstimme dem Thema Wasser. Im Fokus stehen die aktuellen Erscheinungen, die Wechselwirkungen des Wassers mit Natur wie Zivilisation. Heute: Die Entwicklung der Grundwassersituation an Hand der Wasserfassung Lindau-Süd der Trinkwasser Magdeburg GmbH.

Zerbst/Lindau. Grundwasser. Kein Thema ist in den vergangenen Monaten intensiver diskutiert worden. Im Altkreis Zerbst ist die Trinkwasser Magdeburg GmbH (TWM) Nutzer dieser Ressource und jenes Unternehmen, dessen Messpunkte für bestimmte Standorte die Entwicklung des Grundwasserstandes seit der Wende verfolgen lassen.

1992 beginnen die wellenförmigen Linien einer Grafik, die Christiane Wiesner von der TWM zeigt. Sie stellt die grob zusammengefassten Grundwasserstände einzelner Messstellen der Wasserfassung Lindau-Süd dar. Genau drei deutliche Anstiege zeigt die Grafik. Einen, als die Fassung Lindau-Süd 1995 umgebaut wurde. Einen weiteren im Jahr 2007, als die Fassung außer Betrieb ging und damit ein Anstieg des Grundwasserspiegels in dieser Region einherging. Der dritte deutliche Ausschlag ist im Januar und Februar 2011 zu sehen.

"Das war eine Extremsituation, die wir in Zerbst, aber auch in Schönebeck oder Staßfurt beobachten konnten", sagt Christiane Wiesner aus der Abteilung Grundsatzplanung, Investitionen und Öffentlichkeitsarbeit der TWM.

"Aber", mahnt Wiesner, "die Situation im Altkreis Zerbst ist differenziert zu betrachten." Während beispielsweise Lindau zur nassen Ecke wurde, wird in Dobritz und Nedlitz sowie in Regionen des Hochfläming über zu niedirge Wassermengen geklagt.

Wo liegen die Ursachen? "Da kommen mehrere Faktoren zusammen", sagt Peter Bogel, ebenfalls Mitarbeiter der TWM. Die Großindustrie aus DDR-Zeiten, die einen enormen Wasserbedarf hatte, ist verschwunden. Es gibt weniger Einwohner, die weniger Wasser verbauchen, da beispielsweise die Berechnung der Abwasserkosten nach Verbauchsmenge die Sparsamkeit fördert und gleichzeitig die Haushaltsgeräte immer sparsamer werden. "Und nicht zu vergessen: Dies ist eine ländliche Region. Viele verfügen noch über Brunnen, die sie nutzen", fügt Christiane Wiesner hinzu. In Zahlen ausgedrückt, wird es noch deutlicher. Während der Durchschnitts-Sachsen-Anhalter 94 Liter Wasser pro Kopf und Tag verbraucht, sind es hier zwischen 60 und 80 Liter.

"Oftmals ist die Kritik, dass wir hier nicht genügend Wasser fördern, und daher die Grundwasserstände so hoch sind", greift Peter Bogel ein Thema auf, das seit der Außerbetriebnahme der Fassung Lindau-Süd immer wieder von Seiten der Bevölkerung im Raum Lindau angebracht wird.

"Die Außerbetriebnahme hatte Auswirkungen. Das wissen wir", hakt Wiesner ein. Allerdings war dieser Schritt unumgänglich. "Der Wasserbedarf sank massiv. Dementsprechend mussten wir reagieren, indem wir die qualitativ schlechteste der drei Wasserfassungen des hiesigen Wasserwerkes nach und nach heruntergefahren haben", erklärt Wiesner weiter. Anders als in den Wasserfassungen Nedlitz und Dobritz war die Rohwasserqualität in Lindau-Süd schlechter, zeigte Rückstände von Nitraten auf. "Daher war der Entschluss, diese Fassung runterzufahren, die wirtschaftlich einzig sinnvolle." Vergessen ist die Fassung dennoch nicht. Bis heute werden die Grundwasserstände dort aufgezeichnet.

Durchschnittlich fördert die TWM um die 20 000 Kubikmeter Trinkwasser pro Tag im Wasserwerk Lindau. "Selbst an besonders heißen Tagen, fördern wir hier maximal 25 000 Kubikmeter. Wir fahren hier sehr konstante Werte", hakt Bogel ein. Bei steigendem Bedarf wird der Rest des in der Region benötigten Wassers aus dem Wasserwerk Colbitz bereitgestellt und bei Gommern mit dem Lindauer Wasser gemischt. Auch auftretende Spitzenverbräuche werden so gedeckt. "Wir praktizieren das seit ungefähr sechs Jahren so", sagt Bogel. "Wir würden mehr fördern, aber nur, wenn uns das Wasser auch abgenommen wird."

Während die Grundwasserproblematik mittlerweile nicht mehr so akut ist wie Anfang des Jahres, ist die zunehmende Trockenheit wohl das kommende Problem. "Wir sind bereits von Landwirten angesprochen worden, ob wir ihnen Rohwasser aus der Fassung Lindau-Süd zur Bewässerung ihrer Äckern zur Verfügung stellen", erzählt Christiane Wiesner. Die TWM wäre dazu bereit, Wasser im Rahmen der Mengen, die durch den sinkenden Verbrauch freigeworden sind, zur Verfügung zu stellen. Allerdings sperrt sich das Landesverwaltungsamt gegen diese Nutzungsform des Wassers. "Wir haben einen Vertrag mit dem Land Sachsen-Anhalt, der besagt, dass wir nur Trinkwasser bereitstellen. Und diesen Nutzungszweck dürfen wir nicht ändern", sagt Bogel.

"Der Fläming ist durch das Landesentwicklungsgesetz neben der Colbitz-Letzlinger Heide und dem Harz als Vorranggebiet für die Wasserversorgung benannt worden", betont Bogel. Im Zuge der Förderung, ist die Absenkung des Grundwasserspiegels in bestimmten Größenordnungen normal. "Aber niemals in dem Maße, dass es negative Einflüsse gibt oder dauerhafte Schädigungen eintreten. Grundwasser darf höchstens in dem Maße gefördert werden, wie es sich ständig erneuert. An diese rechtlichen Vorgaben halten wir uns und werden zudem straff kontrolliert."

Info-Kasten:

Das Wasserwerk Lindau ist 1993 in Betrieb genommen worden. Heute ist es ein Grundlast-Wasserwerk und das zweitgrößte nach Colbitz, das die TWM betreibt.

Die TWM ist verpflichtet staatliche Behörden - darunter die Untere Wasserbehörde - über ihre Arbeit zu informieren. In der Praxis geschieht dies durch Jahresberichte, die Angaben wie Fördermengen oder Grundwassermesswerte.

Neben dem Harz und der Colbitz-Letzlinger-Heide ist der Westfläming durch das Land Sachsen-Anhalt als Vorranggebiet für die Trinkwasserversorgung eingestuft worden. Die hiesige Trinkwasserqualität ist sehr gut.