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BRAFO-Projekt an der Sekundarschule Loburg Feilen und Frisieren statt Mathe und Deutsch

Von Petra Wiese 26.03.2010, 06:21

Zur Unterstützung einer früh-zeitigen beruflichen Orientierung nahmen Schülerinnen und Schüler der 7. Klassen der Loburger Sekundarschule auch in diesem Jahr wieder am BRAFO-Projekt in Zerbst teil. Die Mädchen und Jungen hatten Gelegenheit, vier verschiedene Fachbereiche kennenzulernen und erste praktische Erfahrungen zu sammeln.

Zerbst/Loburg. Kochen, Feilen, Streichen und Frisieren statt Mathe, Deutsch und Biologie. Schon allein wegen der Abwechslung vom normalen Schulalltag waren die Siebtklässler der Loburger Sekundarschule mit Freude dabei. Berufswahl Richtig Angehen Frühzeitig Orientieren – BRAFO – stand für die beiden Klassen jeweils vier Tage auf dem Stundenplan. Das Projekt wird gefördert durch die Bundesagentur für Arbeit und das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.

Dem Bildungswerk der Wirtschaft Sachsen-Anhalt war nach der Premiere 2008/2009 auch für dieses Schuljahr die Durchführung des Projektes übertragen worden. Im Bereich Dessau-Zerbst nehmen insgesamt neun Schulen daran teil. Am Standort Zerbst sind es die Schüler aus Loburg, von der Ganztagsschule Ciervisti Zerbst und der Biethe-Schule Roßlau, die ihre berufspraktische Orientierung in der Kirschallee erhalten.

Bis zu acht Berufsfelder werden den Schülern angeboten. Für die Loburger, bei denen auf Wunsch jede Klasse für sich vor Ort war, standen vier Bereiche zur Auswahl. So konnten alle Schüler gleichermaßen hineinschnuppern in den Bereich Hotel und Gaststätten, die Körperpflege und Kosmetik, die Metallbearbeitung und den Bereich Farbe/Raumausstattung. Das bedeutete zum einen, dass in kleinen Gruppen mit vier bis sechs Schülern gearbeitet werden konnte und zum anderen, dass die Mädchen sich an die Werkbank stellen und sich im Bohren, Feilen und Schleifen versuchen durften und die Jungen bei Küchenarbeiten helfen mussten und auch nicht ums Lockenwickeln herum kamen. So werden die Mädchen nicht von vornherein auf Frauenberufe fixiert und umgekehrt, so der Projektkoordinator Gerhard Krings.

"Das ist ganz schön anstrengend", meint Vivian Swier-czek, als sie gerade den Metallwürfel im Schraubstock mit der Feile bearbeitet. Aber es mache Spaß, mal verschiedene Berufe kennenzulernen, so die Schülerin, die allerdings lieber etwas mit Kosmetik machen möchte. Während die Metallgruppe mit Ausbilder Gert Schumann in der unteren Etage ins Schwitzen kommt, ist es eine Etage höher nicht minder anstrengend. Viele unterschätzen es, dass eine Frisörin zum Beispiel den ganzen Tag stehen muss, hat die begleitende Sozialpädagogin Kati Metting die Erfahrung gemacht. Mit Gabriele Buchmann aus Dessau konnte eine erfahrene Frisörmeisterin gefunden werden, die den Jugendlichen zeigt, was alles dazugehört. Nein, das ist nichts für mich, winkt Fabian Steinke ab, als er gerade versucht, Lockenwickler einzudrehen. Er will Landwirt werden, das steht für ihn fest. Dabei stellt er sich beim Frisieren nicht ungeschickt an, bescheinigt ihm Gabriele Buchmann. Viele Jungen haben das Geschick dazu, meinte sie. Neben dem Frisieren steht bei ihr ein wenig Theorie auf dem Plan, bevor es an den Kosmetikteil geht, bei dem die Schüler eine Handmassage probieren sollen.

In der Küche wird derweil eifrig geschnippelt. Jägerschnitzel mit Spätzle und Speckbohnen, dazu ein Obstsalat stehen auf der Speisekarte. Zu Hause kocht Mama, sagt Dennis Senst, der den Speck schneidet. Die Küchenarbeit sei nicht wirklich etwas für ihn. Er könne sich vorstellen, in Richtung Auto- oder Landmaschinenschlosser zu gehen. Das Kochen mache eigentlich den meisten Schülern Spaß, weiß Sylvia Spahr, die den Schülern den Hotel- und Gaststättenbereich näherbringt.

Vom Tischdecken, über Tischdekoration bis hin zum Abwaschen kriegen die Siebtklässler hier einiges mit. Auch Bügeln gehört dazu, erklärte die Ausbilderin, die sonst Chefin vom Ratskeller in Aken ist. "Ich hatte schon Jungen dabei, die mit Begeisterung gebügelt haben", sagte sie.

Auch das Metier von Detlef Friedrich ist für viele Schüler völlig neu, denn die wenigsten haben schon einmal tapeziert oder gemalert. Für die praktische Anwendung wurden für dieses Schuljahr extra Stellwände errichtet. Hier müssen die Schüler dann selber ran, um nach Anweisung des Berufsschullehrers Tapeten aufzubringen oder abzutragen oder eine Gestaltung mit Farbe vorzunehmen. Dass dies nicht so einfach ist, wie es vielleicht aussieht, wird den Schülern schnell klar.

Auch für Sybille Dietrich war es das erste Mal. Zugeschaut habe sie schon mal, wenn der Vater zu Hause tapeziert hat. Beim nächsten Mal kann sie ihm nun sicher helfen. Auch wenn BRAFO Spaß macht, so hat auch Sybille Dietrich andere Vorstellungen für die Zukunft – will Bankkauffrau werden oder was mit Immobilien machen.

Nach der viertägigen Interessenerkundung in der Bildungsstätte ist das Projekt längst nicht abgeschlossen. In einem zweiten Modul haben die Schüler dann noch die Möglichkeit, ein fünftägiges Schnupperpraktikum in einem Unternehmen zu absolvieren. Die Auswahl des Praktikumsplatzes erfolgt durch den Projektträger in Zusammenarbeit mit der Schule und dem Elternhaus. "Die Unternehmen sind da sehr entgegenkommend", so Gerhard Krings, "wer die Möglichkeit hat, unterstützt uns."

Krings ist überzeugt, dass BRAFO eine durchweg gute Sache ist und denkt dabei an die Diskussion um Ausbildungsreife und Fachkräftebedarf, die zurzeit geführt wird. Er setzt darauf, dass BRAFO auch im nächsten Schuljahr fortgesetzt werden kann.