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Ideenschmiede in der Reformationsdekade bringt ungewöhnliches Projekt zutage Francisceum-Schulsport in St. Nicolai

Von Thomas Drechsel 20.12.2011, 04:29

In die Kirchenhalle der Ruine St. Nicolai soll eine Schulsporthalle eingebaut werden. Das beim ersten Hören utopisch anmutende Projekt soll der mit viel Enthusiasmus gesicherten Ruine eine dauerhafte Nutzung bescheren.

Zerbst l Landrat Uwe Schulze (CDU) hat seinen Standort-Favoriten eines Turnhallen-Neubaus für das Gymnasium Francisceum benannt. "Wir haben uns entschlossen, einem Vorschlag der Evangelischen Landeskirche Anhalts zu folgen und die dringend benötigte Schulsporthalle in die Kirchenruine zu integrieren", erklärte der Landrat zum Wochenende im Volksstimme-Gespräch. Die Überlegung, das einstige Maculan-Gelände am Schützenplatz zu erwerben, ist wegen der hohen Belastung des Grundstückes verworfen worden. Die Alternative - ein Turnhallenneubau am Standort der jetzigen "Nord-Sporthalle" - ist nunmehr Reserve-Variante, sollte das Projekt in der Kirchenruine wider Erwarten nicht funktionieren.

Schulze glaubt fest an eine Realisierbarkeit der kühnen Überlegung. Maßgeblich unterstützt wird er darin durch Joachim Liebig, den Kirchenpräsidenten der Evangelischen Landeskirche Anhalts, und den Kulturamtsleiter der Stadt Zerbst und SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzenden Andreas Dittmann. Jener hat das Projekt in den vergangenen Wochen in allen relevanten Landesministerien vorgestellt. Er traf auf "außerordentlich offene Ohren und große Aufgeschlossenheit".

Eine Reihe von Faktoren und günstigen Zeitpunkten treffen aktuell zusammen, "ohne die ein solches Projekt sicherlich viel schwerer oder gar nicht zu realisieren wäre", meint Dittmann. "Wesentlich ist zum einen, dass der Landkreis einen echten und dauerhaften Bedarf für einen Zweckbau, nämlich eine Schulsporthalle, hat. Zum anderen hat die in den vergangenen Jahren geleistete Arbeit des Fördervereins St. Nicolai zur Sicherung der Ruine in eine Situation gemündet, auf die ein derartiges Projekt aufbauen kann. Schon seit langem wird ein bedeutender Zweck für die kulturgeschichtlich außerordentlich wichtige Kirche St. Nicolai gesucht. Erhalt durch Nutzung, hat der Förderkreis völlig richtig zur Maxime erklärt. Und genau dies geschieht, wenn die Schulsporthalle darin entsteht und genutzt wird", so Dittmann.

Der Förderkreis St. Nicolai ist am 6. Dezember knapp unterrichtet worden. Neben zwei klaren Befürwortern habe es auch Skeptiker in den Förderkreis-Reihen gegeben, informierte Vorsitzender Walter Tharan auf Nachfrage. Zahlreiche Fragen und Erläuterungen stünden noch aus, so Tharan. Ganz wesentlich: Die dem Förderkreis zugedachte Rolle. "St. Nicolai braucht den Förderkreis auch in der Zukunft. Das ist überhaupt keine Frage. Ich konnte wahrnehmen, wie eine Mehrheit im Förderkreis froh war, dass die Entwicklung einen Schub bekommt", so Dittmann.

"Aus einer Fülle von Ideen zur Nutzung der Nicolairuine ist dieses die erste, die ohnehin notwendige Investitionen verbindet mit einer Perspektive für die Ruine. Obwohl die in Aussicht genommene Lösung lange vorhalten soll, hat sie dennoch temporären Charakter. Künftige Generationen sollen in einigen Jahrzehnten die Freiheit haben, gegebenenfalls noch einmal neu zu entscheiden", erklärte Kirchenpräsident Joachim Liebig gestern gegenüber der Volksstimme zum Projekt.

Die Idee zur Nutzung der Kirchenruine für schulische Zwecke kam bereits 2009 einem kleinen Kreis um Gemeindepfarrer Thomas Meyer. Das damals entwickelte Projekt einer unmittelbar schulischen Nutzung - überlegt wurde eine Art Gesamtschule mit Integration einer Musik- und Erwachsenenbildungsstätte als Ganztagsbildungs- und -aufenthaltsangebot in Trägerschaft der Ev. Landeskirche - erwies sich als offenbar zu ambitioniert und fand die erforderliche Unterstützung nicht. Das aktuelle Sporthallen-Projekt werde vom Gemeindekirchenrat mehrheitlich befürwortet, informierte Dittmann.

Angespornt durch die Jubiläen "Anhalt 800" und mehr noch "500 Jahre Reformation" im Jahr 2017 suchte auch die Landeskirche Anhalt nach einem Projekt für Zerbst als "wichtigem Ort der Reformation", insbesondere mit Blick auf die stadtgeschichtlich wie kulturhistorisch überaus wichtige Kirche St. Nicolai. Im Sommer trafen sich Landrat Schulze und Kulturamtsleiter Dittmann bei Kirchenpräsident Liebig. "Ich wurde gefragt, ob ich Projektkoordinator sein könne und wolle", so Dittmann. "Ich habe eine ganze Weile gezögert, denn dahinter verbirgt sich eine lange Tippeltappeltour auf der Suche nach Partnern auf Landesebene."

Vorige Woche habe das Projekt Fahrt aufgenommen. Es knüpfe sich an einen tatsächlichen Bedarf, wurde im Finanzministerium gelobt. Im Landesentwicklungsministerium sei man begeistert über die beabsichtigte Aufwertung und Stabilisierung des Gymnasiumsstandortes Zerbst auf diese besondere Weise. Aus dem Referat Denkmalpflege in Magdeburg wie dem Landesamt für Denkmalpflege sei die Resonanz ähnlich positiv. Sehr vorteilhaft sei auch, dass die Landesentwicklungsgesellschaft Saleg das Projekt übernehmen und ausführen würde.