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Landtagspolitiker Erdmenger (B 90/Grüne) lud wegen Vernässung in die Gartenstraße ein Nur ein paar Zentimeter zuviel Nuthe

Von Thomas Drechsel 13.01.2012, 04:24

Die Keller vieler Mehrfamilienhäuser in der Gartenstraße stehen nach wie vor unter Wasser. "Immer, wenn die Nuthe gegenüber Hochwasser führt", erklärten die Anwohner. Am Mittwoch hörte Christoph Erdmenger, Landtagsfraktionsvorsitzender B 90/Grüne, genau zu.

Zerbst l Der Bereich zwischen Nuthe und Gartenstraße vernässt. Anwohner berichten seit Jahren ihre Erfahrungen: immer, wenn die Nuthe entlang des Parkplatzes viel Wasser führt, steht es auch in ihren Kellern. "Wir glauben, die Situation würde sich ändern, wenn der Abzweig der Werdernuthe aufgeweitet wird. Dann sinkt der Stand in der Boner Nuthe", erklärt Anwohner Bernd Richter. Bereits 2003 hatten Anlieger ein Protestschreiben an Stadt und Wasserzuständige geschickt - ohne dass sich die Situation in den Kellern verändert hat.

Bis zum Grünen-Stammtisch Ende vorigen Jahres. Christoph Erdmenger, Vorsitzender der Landtagsfraktion B 90/Grüne, war zu Gast, ließ sich auch die Gartenstraßen-Sorgen vortragen. Und meinte: "Hier könnten wir doch mal versuchen, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bekommen." Am Mittwoch traf sich diese Runde. Drei Fachämter der Landkreisverwaltung, das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung und Forsten, das Landesamt für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, und mit Bau- und Ordnungsdezernent Andreas Fischer sowie Amtsleiter Bernd Köhler war auch die Stadt Zerbst selbst prominent vertreten.

Über Jahrzehnte

Bernd Richter skizzierte die Entwicklung der letzten fünf Jahrzehnte. Berichtete vom Klärwerksbau in der Käsperstraße, in deren Zuge der Werdernuthe-Abfluss gedrosselt worden sei. Berichtete, wie das Wasser der einst vielen Nuthen aus der Innenstadt herausgenommen und massiv vor allem vom Alten Teich über Puschkinpromenade und Schlossgarten Richtung Amtsmühle abgeleitet wurde. Berichtete vom Verfüllen der einstigen Pufferfläche zwischen Nuthe und Fahrbahn (dem heutigen Parkplatz). Und berichtete von aktuellen Vermessungen der Nuthe insgesamt, bei denen bekannt wurde, dass die Sohle der Brücke am Anfang der Gartenstraße bei Bauarbeiten jüngeren Datums (Anfang der 1990er Jahre) angehoben worden sein muss, denn das Wasser staut davor auf.

Letzteres bestätigte Frank Beisitzer vom Wittenberger Landesamt für Wasserwirtschaft und

"Den Werdenuthen-Abfluss zu verändern, kann Auswirkungen bis nach Garitz haben."

Frank Beisitzer, Landesamt für Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz

Hochwasserschutz. Die Nuthe sei in Gänze vermessen worden, und zwar sowohl in ihren Teilen als Gewässer erster wie auch zweiter Ordnung. Die Daten würden analysiert, zum Brückenbauwerk am Anfang der Gartenstraße (Höhe Haus Nummer 1) sei eine hoch liegende Sohle festgestellt worden. Grundsätzlich erklärte Beisitzer, man könne nicht "mal schnell" den Abfluss über die Werdernuthe erhöhen. Dies würde erheblichen Einfluss auf die Wasserstände in den Nuthe-Oberläufen bedeuten.

Wie auch in den Unterläufen. Vom Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung hieß es am Mittwoch, die stromab liegenden Flächen seien bewirtschaftet, eventuelle Veränderungen der Wasserstandshöhen müssten genau beurteilt werden. "Das Nuthe-System ist außerordentlich komplex. Die Dinge wirken aufeinander, beeinflussen sich sehr. Man sollte sehr überlegt vorgehen", konstatierte auch Dezernent Andreas Fischer.

Wasserbauwerke

Hierzu schlug Anwohner Fritz Faustmann den Einbau eines Wehrs in den Abfluss der Werdernuthe vor. Dies sei schließlich regelbar. "Uns erwischt es doch immer genau dann, wenn eine bestimmte Höhe in der Boner Nuthe überschritten wird. Das sind nur wenige Zentimeter!" Die Fiskussion hierzu mündete ganz schnell direkt bei Landespolitiker Erdmenger. Immerhin hat der Landtag das Wassergesetz beschlossen und novelliert, ohne die "Baulasten" zu regeln. Während Landes-, Bundes- und Kreisstraßen von den im Namen verankerten Körperschaften bedient werden, werden ähnliche Regelungen für Sachsen-Anhalts Gewässer schmerzlich vermisst. "Wer soll es errichten? Und wer wird es bedienen? Könnten sich die Gartenstraßen-Anwohner das vorstellen?", fragte der Dezernent.

Eine schwierige Frage, wie die Runde insgesamt gleichermaßen fand. Einfacher wäre es da, würden die Gartenstraßen-Grundstücke alle Möglichkeiten nutzen, wenigstens das eigene Oberflächenwasser vom Grundstück weg zu bekommen.

Gewässerbauwerke von der Quelle bis zur Mündung in einer Hand - das wäre gut."

Andreas Fischer, Bau- und Ordnungsdezernent Stadt Zerbst

Auf den ersten Blick widersinnig, betonte Amtsleiter Bernd Köhler die Sinnhaftigkeit des Vorschlags: "Oberflächenwasser sollte vor Ort versickern, natürlich. Allerdings sind eventuell vorhandene Ableitungen vorzuziehen, sollte das Versickern vor Ort negative Auswirkungen wie bei Ihnen haben."

"Tatsächlich haben die Keller in der Gartenstraße mit dem eigenen Untergrund einen Gegenspieler. In etwa drei bis vier Metern Tiefe befindet sich ein rund 40 Meter mächtiges Schluff-Gelege. Nahezu waagerecht, verhindert diese wasserdichte tonartige Schicht das Versickern von Oberflächenwasser. Steht das Nuthe-Wasser recht hoch an, erhöht jeder stärkere Regen das direkt anstehende Grundwasser. Und läuft in die Keller der Gebäude. Anwohner Richter blieb skeptisch. Bei 1200 Quadratmetern Grundstücksfläche, auf die der Regen fällt, machen die 150 Quadratmeter Dach, dessen Wasser ich ableiten könnte, kaum etwas aus." Anwohner Mücke widersprach ebenso: "Ich habe nur minimales Grundwasser bei Regen, aber viel, wenn die Nuthe Hochwasser führt. Und die führt auch noch 14 Tage nach einem starken Regen Hochwasser."

Vielleicht liegt ein Vorwärtskommen in den Planungen des LHW. Frank Beisitzer verwies auf die Bemühungen des Amtes, landesweit die hydraulischen Verhältnisse zu erkunden und daraus Rückschlüsse für Optimierungen zu ziehen. Wann die Nuthe im Kanon der Gewässer im Lande dran sei, könne er nicht sagen. Aber als Problemfall mitnehmen wolle er das Zerbster Flüsschen auf jeden Fall.

Gastgeber Christoph Erdmenger sah dann zwei Aspekte als Ergebnis der Unterredung: Das Gutachten zur Hydraulik in und um Zerbst sei abzuwarten, vielleicht möglichst zu beschleunigen. Und die Grundstückseigentümer sollten in sich gehen und über einen Anschluss an den kommunalen Regenkanal und dessen Kosten nachdenken.