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Region, die es im Ursprung nicht mehr gibt, prägt bis heute Deutschland, Europa und die Welt. Von Antje Rohm 800 Jahre Anhalt: Im Zeichen des Bären

Von Antje Rohm 28.01.2012, 04:19

Am 9. Februar 1212 beginnt die Geschichte Anhalts. 2012 feiert eine Region, die es in ihrem ursprünglichen Verbund nicht mehr gibt, ihre reiche 800-jährige Historie.

Zerbst l Am Anfang war - viel Skepsis. Geht es, etwas zu feiern, was es nicht mehr gibt? Ist Identifizierung möglich mit einem Gebilde, das lange nicht im Bewusstsein der Menschen war? "Am Jahresende werden wir wahrscheinlich sagen, dass alles viel besser geklappt hat als gedacht", meint Joachim Liebig, Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Sie ist die einzige Institution, die jene historische Region zwischen Harz und Fläming noch in ihren ursprünglichen Grenzen abbildet. Jenes Anhalt, dessen Entstehen vor 800 Jahren jetzt Anlass für ein Jubiläumsjahr ist. Mit einem Festakt im Anhaltischen Theater Dessau wird es am 3. Februar offiziell eröffnet.

Die Geschichte Anhalts als eigenständiger Territorialstaat beginnt am 9. Februar 1212 mit dem Tod Herzog Bernhards, dem jüngsten Sohn des Askaniers Albrecht des Bären. Bernhards ältester Sohn Heinrich erbt die Grafschaft Anhalt und nennt sich später als Erster Fürst in Anhalt. Immer wieder prägen Teilungen das Land, beginnend bereits mit Heinrichs Tod 1552. Erstmals neu vereint ist es 1570 unter Fürst Joachim Ernst. Nach der erneuten Teilung 1606 entstehen die Fürstentümer Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen und Anhalt-Zerbst. Es gibt verschiedene Exklaven, so das friesische Jeverland, das russische Askania Nova, das schlesische Pleß.

Das Land immer unabhängig gehalten

Bis auf die Anhalt-Dessauer sterben die Linien nach und nach aus. 1863 ist Anhalt erneut eins. Das neue Herzogtum Anhalt besteht bis 1918. Dann ist Anhalt Freistaat. Die Eigenständigkeit Anhalts endet 1934 und endgültig nach dem Zweiten Weltkrieg. Kurzzeitig gibt es das Land Sachsen-Anhalt. Mit der Verwaltungsreform 1952 werden die Bezirke Halle und Magdeburg gebildet.

Das historische Anhalt ist ein kleines Land. "Als Generäle und Feldmarschälle im Dienste des Deutschen Reichs und Preußens, durch kluge Heiratspolitik und Einkünfte aus klugen Investitionen in Ländereien in Russland, Ungarn und Ostpreußen" sei es, so Eduard Prinz von Anhalt, heute Chef des Hauses Anhalt-Askanien, den Fürsten aber stets gelungen, es unabhängig zu halten.

Anhalts außergewöhnlich reiche Geschichte, seine Bedeutung für die Entwicklung Deutschlands und Europas sind die Impulse für das neue Bemühen, die Traditionen wieder zu beleben, neu bewusst zu machen.

"Ich glaube, dass eine für Deutschland einmalige, viele Jahrhunderte dauernde Bindung und Toleranz zwischen den Regenten und dem Volk heute die Botschaft unserer in 800 Jahren zusammengewachsenen Region ist", so der Prinz. Und nicht nur Zeithistoriker Arnulf Baring fragt angesichts deren Bedeutung: "Warum heißt eigentlich heute nicht das ganze Land Anhalt?"

Wen und was hat Anhalt hervorgebracht? Einige Beispiele.

Eike von Repkow (etwa 1180-1235) gibt mit dem "Sachsenspiegel" das erste deutsche Rechtsbuch heraus. Sein Geburtsort Reppichau widmet ihm heute ein Kunstprojekt. Aufklärungsfürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) schafft das Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Hier steht mit dem Warnungsaltar auch das europaweit erste Kultur- und Naturschutzmonument. Das Gartenreich ist heute ebenso Welterbe wie das Bauhaus, das von Dessau aus weltweit prägend für Architektur, Kunst und Design ist. Welterbe ist das Biosphärenreservat Mittelelbe, UNESCO-Naturschutzgebiet die von den Anhalt-Köthenern für die Schafzucht gegründete Kolonie Askania-Nova.

Die russische Zarin Katharina II. (1729-1796) ist Prinzessin aus Anhalt-Zerbst. Ingenieur und Flugzeugpionier Hugo Junkers (1859-1935) wirkt in Dessau. Friedrich Samuel Hahnemann (1755-1843), der in Köthen lebte, ist Vorreiter der Homöopathie. Der Köthener Johann Friedrich Naumann (1780-1857) gilt als weltweiter Begründer der wissenschaftlichen Ornithologie. Unmittelbar nach Wittenberg fasst die Reformation im anhaltischen Zerbst Fuß. In Köthen entsteht 1617 mit der inzwischen wieder gegründeten Fruchtbringenden Gesellschaft die bis heute bedeutendste Sprachgesellschaft Deutschlands.

Apropos Sprache. Verwirrung gibt es oft um Anhalter und Anhaltiner. Anhaltinisch ist alles, was im Bezug zum Fürstenhaus steht, alles andere anhaltisch.

Im Anhaltischen wird Anfang 2010 ein Netzwerk aus Kommunen, Institutionen und weiteren Akteuren zur Vorbereitung des Jubiläumsjahres gegründet. Eine Geschäftsstelle in Dessau-Roßlau koordiniert die Aktivitäten.

"Anhaltische Landschaft" vor der Gründung

Zu ihnen wird gehören, die kaum noch vorhandene Burg Anhalt wieder aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Burg und Dorf Anhalt am Selketal geben der Region den Namen. "Der Mythos Anhalt lebt", verspricht der in das Projekt eingebundene Ballenstedter Kreisoberpfarrer Jürgen Dittrich Überraschendes, wenn Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am 30. Juni auf der Burg einen "Historischen Gedenkort" einweiht.

"Anhalt hat eine faszinierende Geschichte, die nicht abreißen darf. Sie ist wichtig für die Identität unseres Landes", so Haseloff. Die Landesregierung tut sich lange schwer, diese Bedeutung Anhalts auch in einer Unterstützung des Jubiläumsjahres auszudrücken. Dazu habe es, sagt der Ministerpräsident, auch den Regierungswechsel gebraucht vom Niederschlesier Wolfgang Böhmer zum Kursachsen Haseloff. Jetzt fließen 571 000 Euro vor allem in Ausstellungsprojekte. Die 44 Millionen Euro, die in den kommenden Jahren in die einstigen Residenzstädte und Schlösser investiert werden, haben nur mittelbar mit dem Jubiläum zu tun.

Während das in Anhalt bereits vor der offiziellen Eröffnung zunehmend Fahrt aufnimmt, geht der Blick auch schon darüber hinaus. Kirchenpräsident Liebig kündigt die unmittelbar bevorstehende Gründung der "Anhaltischen Landschaft" an. Eines Vereins, der Plattform sein möchte, die Ideen und die gewachsenen Gemeinsamkeiten zum Anhalt-Jubiläum über das Jahr hinauszutragen.