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Jugendmigrationsdienst der Diakonie und Einrichtungen organisieren großes Straßenfest In Zerbst verbindet vor allem Freundschaft

Von Franziska Richter 15.09.2012, 05:15

So vielfältig und verschieden die Besucher des Festes waren, so unterschiedlich sind auch die Erfahrungen der Migranten mit ihrem neuen Heimatort. Zum Straßenfest des Jugendmigrationsdienstes versammelten sie sich unter dem Motto "Zerbst verbindet" am Dicken Turm.

Zerbst l "Meine Freunden - das ist es, was mich hier hält", erzählt eine Spätaussiedlerin, die anonym bleiben möchte. Wie viele andere Migranten - das sind in Zerbst vor allem Spätaussiedler wie sie und Vietnamesen - ist sie zu dem Fest des Jugendmigrationsdienstes der Diakonie gekommen. "Die erste Zeit in Zerbst war schlimm - zu viert in einem Zimmer in der Baracke, zu eng und immer die Frage, was später einmal wird." Nach zwei Umschulungen arbeitet sie im Gesundheitswesen, fühlt sich wohl in Zerbst. Was sie aber traurig macht, ist, dass ihr Job so schlecht bezahlt wird. "Das ist Ausbeutung", sagt sie. Eigentlich will sie auch weg. "Aber was mich hier hält, sind meine Freunde."

Genauso verbindet Denys Leljuch aus der Ukraine Zerbst zuerst mit seinen Freunden. Der 18-Jährige kam mit sechs Jahren hierher. "Ich wollte Anwalt werden und das will ich immer noch. Ich gehe auf das Francisceum und strebe einen Abschluss von 1,7 an", sagt er. Für ihn ist es einfach normal, in Zerbst zu leben, "nur das erste Jahr war total schwierig, ich habe nichts verstanden". Auch damals waren die Zerbster Freunde ausschlaggebend: Sie brachten ihm Deutsch bei, nach einem Jahr sprach er fließend.

Beide Beispiele sind typisch. "Die Spätaussiedler sehen sich als Deutsche, wollen unbedingt arbeiten, leider nehmen sie auch Jobs zu sehr schlechten Konditionen an", sagt der Leiter des Jugendmigrationsdienstes der Diakonie Mario Gabler. Er hat das Fest "Zerbst verbindet" als Ersatz für die interkulturelle Woche im Oktober - nur mit besserem Wetter - organisiert und berät in Zerbst junge Migranten bei Bewerbung, Pro-blemen mit Schule und Familie oder Berufswahl. 2011 kamen 140 junge Migranten in seine Beratungsstelle. Doch die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich, meint er: "Durch den demografischen Wandel öffnen sich die Firmen auch für Migranten, und sie machen gute Erfahrungen mit ihnen." Genauso werden junge Mi-granten immer selbstbewusster, "sie streben immer höhere Abschlüsse an", sagt Gabler.

Insgesamt öffne sich die Gesellschaft gegenüber Migranten. Das Miteinander und die Vielfalt, für die genau dieses Straßenfests stehen sollte, ist selbstverständlich. Dementsprechend voll war der Platz am Dicken Turm. Jana Hanrich zum Beispiel kam mit Töchterchen Celina vorbei, Jamie und Julie haben sich ein Hundegesicht schminken lassen.

Neben dem Migrationsdienst arbeiten weitere Organisationen daran, Integration und Chancengleichheit in Zerbst durchzusetzen. Die Zerbster Kindertafel, die Kreisvolkshochschule oder das VHS-Bildungswerk beziehen Deutsche genauso wie Migranten in ihre Programme und Maßnahmen ein. Auch das Integrationsnetzwerk Anhalt-Bitterfeld arbeitet an der Vernetzung einzelner Akteuere in dem Bereich. Besonders im neuen Berufsausübungsgesetz sieht Astrid Werner als Integrationsbeauftragte neue Chancen.