1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Die Bahnbaut:Tunnelunddurchweg zweigleisig

EIL

Strecke wird zwischen Güterglück und Roßlau drei Wochen lang für Zugverkehr gesperrt Die Bahnbaut:Tunnelunddurchweg zweigleisig

Von Thomas Drechsel 04.10.2012, 01:15

Der Eisenbahnknoten Dessau wird modernisiert. Als einer von vier Ästen dieses Knotens wird aktuell der Bereich zwischen Güterglück und Roßlau modernisiert. Die heiße Phase mit völligem Einstellen des Zugverkehrs steht unmittelbar bevor.

Zerbst l "Wenn der Kollege dort trötet, dann bleibt bitte alles stehen." Wolfgang Hieke zeigt auf einen Streckenposten. Dessen Fanfare glänzt wie neu. Der Mann nimmt seine Funktion ernst und bewacht die Journalisten-Truppe, als sie vorige Woche durch die Bahn-Baustellen zwischen Zerbst und Rodleben stolpert. "Wir bauen unter rollendem Rad. Hier Baustelle, direkt daneben Zugverkehr. Die kleinste Unachtsamkeit kann zu schwersten Unfällen führen", schwört Bahn-Sprecherin Erika Poschke-Frost die Truppe ein. Ab geht\'s zu den Baugruben rechts und links der Strecke am Zerbster Bahnhof. "Wir bauen einen Fußgängertunnel ein. Mit behindertengerechter Rampe, mit einem 155 Meter langen neuen Außenbahnsteig am Gleis 2. Der bekommt Wetterschutzhäuser und die dynamischen Informationsanzeigen. Der Hausbahnsteig bleibt bestehen, der Bahnsteig zwischen Gleis 1 und 2 wird entfernt." Wolfgang Hieke sprudelt über vor Informationen. Er ist Projektleiter des gesamten Modernisierungsprojektes im Eisenbahnknotenbereich Roßlau/Dessau.

Seit 2003 wird das Gesamtprojekt vorbereitet. Die Einzelmaßnahmen erstrecken sich bis Wolfen, Marke, Jeber-Bergfrieden und Güterglück. 2007 begann die Realisierung mit dem Neubau der Brücke über die Mulde zwischen Dessau und Roßlau. Die gesamte Strecke und somit weitere Brücken, aber auch das Bahnhofsgebiet Dessau, Wolfen, Bitterfeld sind bereits modernisiert. Der Personenbahnhof Roßlau muss noch auf 2014/15 warten. Hieke hat zweifellos gut zu tun.

Seit Juli ist der Bereich zwischen Güterglück und Rodleben an der Reihe. Jeber-Bergfrieden hat die Modernisierung mit Streckenstilllegung bereits hinter sich. In Zerbst steht sie unmittelbar bevor. "Wir haben für den gesamten Bereich einen völlig neuen Spurplan. Die Strecke wird künftig zwischen Güterglück und Rodleben durchgängig zweigleisig sein. Alle Weichen werden entfernt."

Höchstens vier Minuten

An den Zerbster Bahnübergängen sollen Schließzeiten von maximal 240 Sekunden gewährleistet sein. Bei künftig etwa 180 Zugdurchfahrten täglich ist dies eine ganz wesentliche Aussage für die Biaser Straße, die Käsperstraße oder die Kastanienallee. Möglich werden die kurzen Schließzeiten durch den Einbau von Halbschrankenanlagen. Diese werden durch automatische Kontakte zwölf bis 14 Sekunden vor Zugdurchfahrt geschlossen. Vollschranken brauchen das Drei- bis Vierfache des Vorlaufes, und sie bleiben auch länger geschlossen. Allerdings bedeuten Halbschranken auch eine geringere Sicherheit - sie könnten umfahren werden. Folgende Überlegung schwächt dieses Risiko: Sofern die Schranken tatsächlich binnen vier Minuten wieder öffnen, wird die Ungeduld der Wartenden kaum in höhere Risikobereitschaft münden.

Der Bahnübergang Kastanienallee/Friedensallee/Lepser Straße wird dem neuen Regime angepasst. Bislang wird der Übergangsbereich mit Kameras vom Stellwerk-Personal überwacht. Denn zwischen den Halbschranken sind Linksabbiegerbereiche eingerichtet. Diese werden abgeschafft. "Es wird in den einmündenden Straßen künftig Lichtzeichen geben, die zum Anhalten auffordern", erklärt Hieke. Also gibt es künftig ähnlich der bereits vorhandenen vorgelagerten Ampel in der Lepser Straße dann weitere Ampeln in Friedensallee und Kastanienallee. Die Bahnübergänge Güterglück und Trebnitz, so Hieke, werden in den Jahren 2013/14 angepasst - auch hier mit Halbschranken und entsprechenden Signalanlagen. "Es muss gerade auch in den Bahnübergangsbereichen die totale Sicherheit gewährleistet werden. Dies hier hinbekommen zu haben, dass also die Anforderungen des Straßenverkehrs nach möglichst kurzen Schließzeiten und die Sicherheitsmaßgaben des Bahnverkehrs in Einklang kommen, ist wesentlicher Verdienst der Stadt Zerbst", lobt Hieke.

In Güterglück, Jütrichau, Jeber-Bergfrieden und Medewitz werden elektronische Stellwerks-Module errichtet. Sie sind die Schaltknoten für den jeweiligen Streckenbereich und werden von Leipzig aus gesteuert. Sämtliche lokale Streckensteuerung hat dann ausgedient, die manuelle Weichenbetätigung sowieso. Und das Bahnwärterhaus zwischen Bahnhof und Biaser Straße?, fragt einer mit nostalgisch verklärtem Blick. "Das wird sicherlich vorerst zu sichern sein, perspektivisch steht der Rückbau an."

Künftig durchweg zweigleisig

Nächster Halt der Presse-Reise ist der Bahnübergang Neeken. Hier sind vier Mann mit zwei Baggern dabei, ein zweites Gleis zu verlegen. 1945 wurde die bis dahin zweigleisige Strecke zwischen Magdeburg und Roßlau auf ein Gleis reduziert: Reparationsleistung nach dem Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion. "Und das auf einer schon seit 1920 elektrifizierten zweigleisigen Strecke", lässt Hieke das Bedauern des Technikers durchblicken. Bis 1975 ist die Strecke dann wieder komplett elektrifiziert worden, und in Abschnitten wurde auch wieder das zweite Gleis verlegt. Es fehlten bis heute rund fünf Kilometer zwischen Neeken und Rodleben - und die kommen nunmehr wieder ins Gleisbett. "Das ist ja noch da", meint Hieke.

Am Bahnübergang Rodleben sind die Arbeiten ebenfalls in vollem Gange. Hier sieht der Spurplan vier Gleise vor: die beiden durchgehenden Gleise von und nach Roßlau/Dessau, das abbiegende Gleis Richtung Wiesenburg und das Anschlussgleis für das Hydrierwerk Rodleben. Die Lage der Gleise ändert sich, und auch der Zugang für Fahrgäste wechselt. "Es entsteht eine neue Bahnsteiganlage auf der anderen Seite des Bahnüberganges mit der B 184. Auch künftig erfolgt der Zugang von der B 184 her. Der Haltepunkt ist ja insbesondere für Mitarbeiter des Impfstoffwerkes wichtig." Um hier Sicherheit zu haben, dass niemand die geschlossenen Halbschranken durchfährt, wird die B 184 aus beiden Richtungen jeweils vor dem Bahnübergang einen Fahrbahnteiler erhalten, informiert Hieke am Rande.

Ende September 2013 sollen die Arbeiten in diesem Streckenabschnitt abgeschlossen sein. Nicht viel Zeit - diesen Eindruck bekommt man bei solchen Baustellen-Bereisungen mit ihren Einblicken in die kompletten planerischen und baulichen Abläufe. Ein Zeitraum ist während der gesamten Zeit besonders sensibel vorzubereiten: Die Vollsperrung der Gleise. Einzelne Arbeiten sind unter "rollendem Rad" unmöglich durchführbar - beispielsweise der Einbau der vorgefertigten Tunnel-Elemente am Zerbster Bahnhof. Auch den alten Mittel-Bahnsteig kann man nicht abreißen, wenn 20 Zentimeter entfernt ein Zug vorbeirollt. Folglich wird vom 15. Oktober bis zum 5. November kein einziger Zug auf dieser Strecke rollen. Am Zerbster Bahnhof, am Haltepunkt Rodleben, am Bahnübergang bei Neeken und vor allem am Bahnübergang Biaser Straße in Zerbst werden Arbeiten direkt unter dem Gleis möglich - zur Straßenentwässerung beispielsweise. Die Züge enden in Güterglück bzw. in Roßlau. Ab dort wird Schienenersatzverkehr eingerichtet. "Die Bahnreisenden sind gut beraten, einen Zug früher als sonst zum Erreichen ihrer Ankunftszeit einzuplanen", empfiehlt Erika Poschke-Frost. Genaueres zum Ersatz-Fahrplan soll Ende dieser/Anfang kommender Woche bekannt werden.