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Während jesidische Mutter Selbstmordversuch unternimmt, bringt Behörde Vater und vier Kinder zum Flughafen Missglückte Abschiebung: Opposition fordert Aufklärung

Von Peter Ließmann und Martin Rieß 04.02.2013, 01:32

Buckau l Für Empörung sorgt der Versuch der Behörden, eine jesidische Familie mit sechs Personen nach Armenien abzuschieben. Am Mittwochmorgen waren dazu Behördenvertreter in der Unterkunft an der Grusonstraße angerückt. Während die Mutter wegen eines Selbstmordversuchs behandelt werden musste, brachten Behördenvertreter den Vater und die Kinder zum Flughafen nach Berlin. Erst in letzter Minute wurde die Abschiebung ausgesetzt.

Die Oppositionsparteien im sachsen-anhaltischen Landtag fordern derweil Aufklärung. Der Magdeburger Grünen-Abgeordnete Sören Herbst erklärte: "Es ist ein Unding, dass die Familie frühmorgens, gewissermaßen aus dem Schlaf heraus, abgeschoben werden soll und darüber offenbar nicht vorher informiert wurde." Die asylpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion Henriette Quade fordert ebenfalls eine Aufklärung zu dem Fall und erläutert: "Der Familie wurde so die Möglichkeit zur Vorbereitung und vor allem zur rechtlichen Gegenwehr genommen." Den bisherigen Äußerungen der Behörden sei zu entnehmen, dass eine psychische Erkrankung der Mutter bekannt war, berichtet die Linken-Politikerin.

Sören Herbst und Henriette Quade kritisieren in diesem Zusammenhang auch die Vorgehensweise während dieses Versuchs einer Abschiebung. Henriette Quade verweist darauf, dass die Familie seit 2005 in Deutschland lebt - und zwar in der Gemeinschaftsunterkunft, obwohl es seit 2008 die Bitte des Innenministeriums gebe, Familien dezentral in Wohnungen unterzubringen.

Wie die Linkepolitikerin verweist Sören Herbst auf die Umstände der dramatischen Ereignisse und charakterisiert es als "unverhältnismäßige Härte", dass der Familienvater mit Hand- und Fußfesseln gefesselt wurde, obwohl er mit Hinweis auf seine minderjährigen Kinder darum gebeten hatte, darauf zu verzichten. Die Politiker der Landtagsopposition fordern die Ausländerbehörde Magdeburg auf, den Fall neu zu bewerten. Dabei müsse die ärztlich attestierte Erkrankung der Mutter ebenso wie die Situation der jesidischen Minderheit in Armenien berücksichtigt werden.

Die Polizei sei zu dieser Durchsetzung einer Abschiebung im Rahmen eines Amtshilfeverfahrens von den Ordnungsbehörden der Stadt dazugerufen worden, so Polizeisprecher Andreas von Koß. Neben zwei Polizeibeamten seien zwei Mitarbeiter der Ausländerbehörde und zwei Beamte des Stadtordnungsdienstes im Einsatz gewesen. Die Polizeibeamten hätten sich zuerst im Hintergrund gehalten, da es nicht ihre Aufgabe sei, in solchen Fällen sofort aktiv zu werden.

Nachdem die Beamten der Stadt die Wohnung der Familie betreten hätten und die Abschiebung vollstrecken wollten, hätten die vor der Wohnung wartenden Polizeibeamten einen dumpfen Knall gehört. Einer der Polizisten habe dann nachgeschaut und festgestellt, dass die Mutter zusammengebrochen war. Ein gerufener Notarzt habe die Frau in ein Krankenhaus bringen lassen. Als dem Vater dann von der Ausländerbehörde mitgeteilt worden war, dass die Abschiebung für ihn und seine Kinder weiter vollstreckt werde, sei der Mann wohl aus Verzweiflung aggressiv geworden. Darum sei er von den Polizeibeamten überwältigt und in Handfesseln gelegt worden. Anschließend hatten die Polizeibeamten dann die Aufgabe, den Mann und seine Kinder zum Berliner Flughafen zu bringen, so von Koß.