1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. "Bis 1990 war das AMO besser besucht als der Dom"

Tim Liebe und Hagen Olschewski steuern virtuelles Aufbegehren gegen Abschied vom Kulturhaus "Bis 1990 war das AMO besser besucht als der Dom"

Von Katja Tessnow 26.08.2013, 03:25

Magdeburg. Vor etwas mehr als zwei Wochen einte zwei Magdeburger - der eine im Spanienurlaub, der andere in Nürnberg - das blanke Entsetzen, als ihnen die Nachrichten von den bis zum Abriss reichenden Plänen zur AMO-Schließung via Internet zugingen. Die Männer schlugen - ebenfalls virtuell - zurück.

"Ich hab\' gedacht, mir zieht\'s die Badelatschen aus", bringt Tim Liebe seine Verfassung auf den Punkt, als er beim Frühstück im spanischen Ferienhaus den drohenden AMO-Abgesang vernahm. Fortan hatte seine Frau bisweilen nicht mehr das Gefühl, dass sie mit ihrem Mann im Urlaub weilt. Liebe, im wahren Leben Polizist und anno 2011 von Volksstimme-Lesern für sein kulturelles Engagement zum "Magdeburger des Jahres" gekürt, fuhr via Internet Geschütze gegen den in der Stadtverwaltung aus rein fiskalischen Gründen gereiften AMO-Abschiedsplan auf. Im Netzwerk Facebook legte er die Pro-AMO-Kulturhaus-Freundeseite an. Zu den ersten Freunden, die er fand, gehörte Hagen Olschewski. Inzwischen überschlagen sich die Fan-Einträge und um die 700 Unterstützer haben eine Online-Petition unterzeichnet. Liebe singt in deren virtuellem Angesicht ein Loblied auf die vernetzte Welt: "Es ist schon verrückt, was man da heute aus dem Urlaub heraus alles machen kann."

Liebe und Olschewski verbinden wie Vieltausende weitere Magdeburger schöne Kindheits- und Jugenderinnerungen mit dem Kulturhaus. Liebe ist Sohn der Ex-AMO-Chefin Petra Schubert, nennt das für seine persönliche Mission AMO-Schutzschild aber "unwesentlich". Das Entsetzen von Mutter und Sohn trat sozusagen unabhängig voneinander auf, wobei es beide im Kampf um die Zukunft des Hauses vereint. Inzwischen gehen Schubert, Liebe, Olschewski und noch einige Magdeburger mehr parallel mit Papierlisten Unterschriften sammeln und hatten vor dem Wochenende gut 3000 zusammen (Volksstimme berichtete). Tim Liebe jedenfalls tanzte als Kind ("Als einer von zwei Jungen!") im Volkstanzensemble und das AMO war quasi sein zweites Zuhause. Ebenso erging es dem kabarettbegeisterten Hagen Olschewski. Er gehörte dem von Erich Hengstmann gegründeten Kinderkabarett "Kritiküsschen" (später den "Spottniks") an. "Wie oft habe ich hier auf der Bühne gestanden. Texthänger hatte ich auch."

Liebe (CDU-Mitglied) und Olschewski (parteilos) eint neben der schönen Erinnerung das Entsetzen darüber, dass der AMO-Abgesang ursprünglich in nichtöffentlicher Ratssitzung im Juli still und heimlich eingeleitet werden sollte. Liebe schüttelt den Kopf und sagt: "Nach jeder Wahl wird Politikverdrossenheit beklagt. Jetzt wollen die Leute mitreden und sich dafür einsetzen, was ihnen lieb ist. Das ist auch wieder nicht recht." Da könne er, Liebe, auch seinen Parteifreunden nur zurufen: "Was wollt Ihr nun? Sind Euch die Leute egal und Ihr wollt im stillen Kämmerlein über Sie hinweg entscheiden? Freut Euch, dass sie sich für die Stadt interessieren!" Liebe redet sich in Rage, nein, er ist in Rage! Olschewski nicht minder. Bitteschön möge man zur Kenntnis nehmen, dass das AMO bis 1990 deutlich besser besucht war als der Dom; einfach ein Fakt sei das und nichts gegen den Dom. "Wir sind gerne Magdeburger. Wir lieben unsere Stadt. Wir wollen sie mitgestalten", sagen Liebe und Olschewski und sie wollen, dass man sie lässt.

Wie sieht es mit Nutzungsideen aus? Haben die Männer hinter dem virtuellen Proteststurm die zündende Idee für ein blühendes AMO-Kulturleben? Jedenfalls, das sagen sie, kennen sie persönlich Veranstalter, die das AMO schätzten, aber schlecht geführt fänden. Das Zirkusmuseum, just auf Raumsuche, können sie sich als Nutzer von Teilbereichen vorstellen und manches mehr. Aber prinzipiell sei es nicht ihre Aufgabe, sich Konzepte fürs AMO auszudenken. Liebe: "Das ist Aufgabe der Stadtverwaltung. Es wäre unverschämt, würde sie im Gegenzug von uns verlangen, dass wir ihre Arbeit machen." Letztlich sei es die vornehmste Aufgabe von Rat und Verwaltung, die Stadt nach den Wünschen ihrer Bewohner (Wähler) zu entwickeln. Und ein nicht unbeträchtlicher Teil wünsche sich nun einmal, dass das AMO bleibt.