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Podiumsdiskussion im Rathaus zum Thema "Ziviler Ungehorsam in Magdeburg" im Vorfeld des Neonazi-Aufmarschs am 18. Januar Ströbele: "Es lohnt sich, den Rechten die Straße streitig zu machen"

Von Stefan Harter 13.01.2014, 02:20

Altstadt l Über 150 interessierte Magdeburger verfolgten am vergangenen Sonnabend im Rathaus die Podiumsdiskussion zum Thema "Ziviler Ungehorsam in Magdeburg". Eine Woche bevor am kommenden Sonnabend wieder Neonazis durch die Stadt marschieren wollen, luden die Fraktionen der Linke/Tierschutzpartei und der Grünen zusammen mit dem Netzwerk "BlockMD" dazu ein und hatten sich prominente Unterstützung an den Tisch geholt.

Der Grüne-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele gab als Anwalt fachkundige Auskunft zur Frage der Rechtmäßigkeit von Sitzblockaden, wie sie u.a. von "BlockMD" für kommenden Sonnabend geplant werden. Ströbele, der unlängst für weltweite Schlagzeilen sorgte, als er Edward Snowden in Moskau besuchte, erklärte auch, warum er gegen ein Verbot der NPD sei. "Wenn es das Verfassungsgericht wieder ablehnen sollte, wäre das ein nicht zu verantwortender Prestigegewinn für die Partei", warnte er. Und selbst bei einem Verbot würden die Leute ja auch nicht verschwinden.

Ströbele unterstützt aber die Blockade-Befürworter. Er habe "viele, viele Demos" mitgemacht, erzählte er. Es sind "dicke Bretter, die man lange bohren muss". Doch der Erfolg tritt ein. "Es werden immer weniger Rechte, die demonstrieren gehen. Es hat keinen Spaßfaktor mehr, wenn man drei Stunden eingekesselt in der Kälte herumsteht", erklärte er. Es lohne sich also, "ihnen die Straße streitig zu machen".

Dennoch warnte Ströbele davor, dass ziviler Ungehorsam natürlich auch Folgen haben kann, dass ein Brief der Polizei ins Haus flattern kann oder dass man erfasst wird. Deshalb forderten mehrere Diskussionsteilnehmer auch ein Umdenken seitens der Polizei, deren Anwesenheit ebenso wie die des Oberbürgermeistes vermisst wurde. "Es kann nicht sein, dass ich kriminell bin, bloß weil ich die Nazis nicht in meinem Stadtteil haben will", warf ein junger Mann ein.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner warnte als Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses davor, dass mit der Zerschlagung dieser rechten Terrorzelle die Gefahr keineswegs gebannt sei. Aktuell stehe ein Netzwerk in Österreich im Fokus, das zu Neonazis in Sachsen-Anhalt Kontakte pflege, berichtete sie.Außerdem empfahl sie ihre Heimatstadt Erfurt als Vorbild für Magdeburg. Dort waren die Nazi-Gegner auch uneins, wie man ihnen entgegentreten sollte. Doch 2013 gab es erstmals ein Bündnis, dem es gelang, die Rechten im Erfurter Bahnhof zu halten, so dass sie unverrichteter Dinge wieder fahren mussten. "Blockadepunkte müssen so gestaltet werden, dass viele mitmachen können", sagte sie.

Pascal Begrich vom Miteinander e.V. und Experte für die hiesige braune Szene berichtete von der Entwicklung des Rechten-Aufmarsches anlässlich der Bombardierung Magdeburgs am 16. Januar 1945. "Am Anfang waren sie noch bei den Gedenkfeiern dabei gewesen und es störte niemand", sagte er. Inzwischen ist es der größte Aufmarsch deutschlandweit neben Bad Nenndorf. Dennoch ist er dafür, die Demonstration nicht per se zu verbieten. "Das ist Teil der Demokratie. Wir müssen ihnen aber die Attraktivität nehmen und den Frustfaktor erhöhen", so Begrich.

Angesichts der Diskussionsteilnehmer fehlte der für eine echte Debatte nötige Gegenpol, der gegen Sitzblockaden argumentiert hätte. Als eine Frau die Anwesenden eindeutig aufforderte, nicht zu blockieren, fiel der Applaus sehr verhalten aus. "Wir wollten mit der Veranstaltung den Leuten Mut machen, sich an so etwas zu beteiligen", erklärte Mitorganisator Sören Herbst dazu.

Moderator Lars Johansen erinnerte aber gleich zu Beginn daran, dass die "verdammten Nazis" die Gegner seien und "nicht jeder blockieren" könne und dachte an Ältere oder Familien mit Kindern. Emotional wurde Pfarrerin Gabriele Herbst. "Ich finde es zum Kotzen, dass wir uns unterschiedlich auf den Meilen profilieren. Das schwächt uns enorm", meinte sie angesichts mittlerweile drei verschiedener Bündnisse, die gegen den Aufmarsch unterschiedlich vorgehen.

"Wir sehen uns hoffentlich alle nächste Woche wieder", schloss Lars Johansen am Ende die Diskussion.