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Dank eines Sponsors wird Lapidarium auf dem Friedhof noch interessanter Magdeburger Steinfragmente kommen in Barby zu Ehren

Das Lapidarium (Sammlung von Steinwerken) auf dem Barbyer Friedhof macht
seinem Namen zunehmend Ehre. Neben verschiedenen Grabsteinen sind jetzt
auch Steinfragmente ehemaliger historischer Gebäude aus Magdeburg zu
sehen.

Von Thomas Linßner 23.09.2014, 03:20

Barby l "Vorsicht, vooorsichtig, der Sandstein ist weich", mahnt Rüdiger Uhlmann seine zwei Helfer, die das Fragment eines Gesimssteins auf die Sackkarre bugsieren. Das etwa 50 Kilogramm schwere barocke Teil soll auf ein vorbereitetes Fundament bewegt werden. Es gehört zu jenem Dutzend Steine, die von der "Paul Schuster GmbH Magdeburg" für 2480 Euro angekauft wurden. Das Geld dafür stammt von einem Sponsor, mit dessen Hilfe die Einrichtung des Lapidariums überhaupt erst ermöglich wird.

"Wir hatten in einem Volksstimme-Interview mit Firmenchef Frank Schuster gelesen, dass seine Firma Steine historischer Gebäude verkauft", erklärt Christina Roeder, Schatzmeisterin des Kirchbauvereins Barby. Das geschah, um den Wiederaufbau des Magdeburger Sterntores zu ermöglichen, den ein Kuratorium anstrebt. Schuster stellt Maßwerkteile, Säulen, Pilasterkapitelle und vieles mehr zur Verfügung. Es handelt sich um Fragmente, die man bei Restaurierungsarbeiten sicherstellte. Manchmal stammen sie aus Ruinen, zuweilen wurden sie durch Neuanfertigungen ersetzt. "Wie mir Frank Schuster sagte", deutet Christina Roeder auf zwei Gesimssteine, "könnten die vom Barbyer Schloss stammen." Der Denkmalbetrieb war hier vor Jahren tätig.

Am Dienstag wurden nun die ersten Steine an Ort und Stelle platziert. Sie liegen und stehen zwischen Grabsteinen vom Barbyer Friedhof, deren Grabstätten aufgegeben wurden. Die Lapidarium-Gruppe des Kirchbauvereins bietet Hinterbliebenen an, Steine abgelaufener Gräber gegen eine Spende zur Deckung der Unkosten zu übernehmen. Ein besonderes Augenmerk richtet die Gruppe freilich auf "historisch interessante Steine". Dazu zählt ein Stein aus Muschelkalk, der wahrscheinlich auf der Kippe gelandet wäre, würde es nicht das Lapidarium geben. Er erinnert an ein Opfer der Mehlstaubexplosion der Maizena-Werke. Am ersten Osterfeiertag 1943 kamen dabei 14 Handwerker ums Leben (mit Fremdarbeitern 21). Unter ihnen war der 39-jährige Paul Brickmann, dessen Stein infolge Neubelegung der Grabstelle jetzt entfernt wurde. Die durch Hecken eingefriedete Anlage der Explosionsopfer ist sozusagen ein Friedhof im Friedhof. Alle Steine ziert ein Symbol des jeweiligen Gewerks, bei Paul Brickmann ist es ein Hammer.

Oder das Grabmal des Barbyer Konrektors Erich Angern und seiner Ehefrau Else. Der geachtete Volksschullehrer wurde ein Opfer seiner Zeit, als er sich am 13. April 1945 erschoss. Wirkliche lokale Nazigrößen setzten sich in den Westen ab.

"Es ist schon merkwürdig, wenn auf einem Stein das Wort `unvergessen` verwendet wird und er nach Ablauf der Liegezeit auf der Kippe landet."

"Wir wollen jeden Stein mit einer kleinen Erläuterung versehen", sagt Christina Roeder, die seit Jahren Friedhofsführungen macht. Dazu werden 30 Metallhalter in die Erde gesteckt, die Hinweisschilder tragen. Hinzu kommt eine 1,05 mal 0,75 Meter große Kunststofftafel, die seit kurzem das "Lapidarium St. Georgii" erklärt. "Das Lapidarium ist mehr als eine Anhäufung von Steinen, es ist ein lebendiger Ausflug in die Geschichte, ein Beleg für das Leben unserer Vorfahren und eine Erinnerungshilfe an Menschen, Ereignisse und Zeitwendungen, die wir ohne diese Steine längst vergessen hätten", lautet ein Satz auf der Tafel.

Diesen Ansatz verfolgt auch Rüdiger Uhlmann, der seine Kinder- und Jugendjahre in Barby verbrachte und heute in Calbe lebt. Auf ihn geht die Idee des Lapidariums zurück. "Es ist schon merkwürdig, wenn auf einem Stein das Wort `unvergessen` verwendet wird und er nach Ablauf der Liegezeit auf der Kippe landet", begründet der 75-Jährige seine Ambitionen. Auch sein ehemaliger Förderanlagen-Kollege Cord Proske gehört der Arbeitsgruppe an. Er entwarf die moderne Stele des Lapidariums. Proske, der ebenfalls aus Barby stammt, machte sich in Calbe einen Namen, als er zusammen mit Otto Plönnies zahlreiche künstlerische Stahlschnitte schuf, die der Saalestadt heute zu einem Alleinstellungsmerkmal verhelfen.