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Blauer Bock Rundgang durch die Vergangenheit

Die Geschichte des Blauen Bocks geht zu Ende. Ein Blick in das marode Gebäude im Herzen der Altstadt zeigt: Das wird auch Zeit.

Von Martin Rieß 10.01.2015, 10:49

Magdeburg l Gemeinsam mit der Volksstimme hat Anja Keßler-Wölfer, Sprecherin der Städtischen Werke Magdeburg (SWM), einen Rundgang durch den Blauen Bock unternommen. Hintergrund: Der regionale Energieversorger hat das Gebäude gekauft und möchte hier seinen neuen Firmensitz errichten. Seit 20 Jahren steht das Haus an der Kreuzung Breiter Weg/Ernst-Reuter-Allee weitestgehend leer - und dementsprechend scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Zwar ist der Blaue Bock leergeräumt - sprich: hier befinden sich keine alten Möbel mehr. Doch an den Wänden der winzigen Apartments, deren Nutzer sich zum Teil eine gemeinsame Etagendusche teilen mussten, sind Poster und Aufkleber erhalten geblieben. Geworben wird beispielsweise für den Studentenklub Kiste - früher noch in Trägerschaft der FDJ -, für Diamant-Pils, den MDR und das Hotel International. Und auch das Bekenntnis der Volksstimme zur Landeshauptstadt Magdeburg ist hier in ovaler Aufkleberform zu finden. Milli-Vanilli-Plakate prangen ebenso an den Tapeten wie Bilder von den New Kids On The Block. Zweifelsohne hatten hier junge Menschen in der Nachwendezeit eine Bleibe gefunden.

Eindeutig älteren Datums die Beschriftung in der Gemeinschaftsdusche: "Im Interesse Ihrer Wohngemeinschaft sowie der Erhaltung des Volkseigentums ist die Duschanlage pfleglich zu behandeln." Dem mit Kohlepapier an der Schreibmaschine beschriebenen Durchschlagbogen ist zu entnehmen, dass zu diesem Zwecke der Duschvorhang während des Duschens zuzuziehen und dass die Anlage in einem sauberen Zustand zu hinterlassen sei.

Die jüngsten Spuren in den oberen Etagen mit den Wohnbereichen stammen von Künstlern um die Urbanpiraten, die im Blauen Bock vor fünf Jahren noch einmal Leben auf Zeit hatten einziehen lassen: Wandmalereien im Treppenhaus und bunte Zeichnungen auf den Fenstern gehören zu den künstlerischen Hinterlassenschaften.

Im Erdgeschoss hatten die letzten Mieter bis vor wenigen Wochen ausgeharrt. Bei diesen handelte es sich um Gewerbemieter der Ladenlokale. In diesem Bereich verströmen die Räume folglich längst nicht den morbiden Charme eines über Jahre währenden Leerstands.

Eine ähnliche Teilung auch im Keller: Einige Räume wirken wie ganz normale Lager eines Unternehmens und so, als könnte ein neuer Nutzer die Räume sofort wieder übernehmen. Andere Kellerräume erinnern eher an eine Tropfsteinhöhle und an alte Bunkeranlagen. Dieser Eindruck wiederum ist gar nicht einmal so abwegig, waren doch Räume unter dem Blauen Bock einstmals auch als Schutzräume angelegt worden.

Erinnerungen gesucht

Wie sah das Leben im Blauen Bock aus? Wer hat an ihm mitgebaut und mitgeplant? Für die Dokumentation der Geschichte des Gebäudes an der Stelle des künftigen SWM-Unternehmenssitzes sucht der Magdeburger Energiedienstleister Berichte von Zeitzeugen sowie Dokumente und Artefakten. Zu erreichen ist Anja Keßler-Wölfer per E-Mail an Kessler-Woelfer@sw-magdeburg.de sowie postalisch an Städtische Werke Magdeburg GmbH & Co. KG, z. H. Anja Keßler-Wölfer, Am Alten Theater 1, 39104 Magdeburg.