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Protest gegen Rechtsextremismus "Wir haben das Recht, zu zeigen, dass wir mehr sind"

Zu Sitzblockaden hat die Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestages,
Claudia Roth, ermutigt, um rechtspolitisch motivierte Aufmärsche zu
verhindern. Sie war Gast einer Podiumsdiskussion am Sonnabend im
Rathaus.

Von Christina Bendigs 12.01.2015, 02:08

Magdeburg l "Friedlich, das geht mir langsam auf die Nerven! Wenn ihr was machen wollt, dann macht nicht nur Wohlfühlveranstaltungen!", forderte Stadtjugendpfarrer Lothar König aus Jena am Sonnabend im Magdeburger Rathaus und sagte damit dem Aktivismus ohne Bekenntnisse den Kampf an. In der Podiumsdiskussion unter dem Motto "Naziaufmärsche und Magida - Widerstand in Magdeburg 2015" sprach er sich klar gegen friedliche Blockaden aus, um rechtsextremem Gedankengut den Raum zu nehmen. Denn diese Form der Demonstration folge den einfachsten physikalischen Gesetzen: "Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein", erläuterte er das Offensichtliche. Er forderte stattdessen Demonstrationen mit klaren Aussagen und Streitkultur. Er kritisierte die Polizei, die es laut Schilderungen vor Ort im vorigen Jahr nicht zugelassen habe, dass Aufmärsche mit rechtsextremem Hintergrund durch Gegendemonstranten gestört werden konnten. "Wenn die Polizei das nicht zulässt, dann ist sie antidemokratisch", lautete sein Vorwurf.

Auf großen Zuspruch war die Podiumsdiskussion gestoßen, zu der die Stadtratsfraktionen Bündnis90/Die Grünen und Die Linke/Tierschutz gemeinsam mit dem Netzwerk "Blockmd" eingeladen hatten. Geschätzte 400 Gäste kamen ins Rathaus, um die Diskussion über Möglichkeiten des Protests zu hören. Und am Ende gab es das Fazit, dass friedlicher Protest wie etwa auf der Meile der Demokratie am 17.Januar ebenso gebraucht werde wie aktive Blockaden. Statt die einen als "Bratwurst-Antifaschisten" abzustempeln und über die anderen den Kopf zu schütteln, sollten beide Formen des Protests als Ergänzung verstanden werden. Denn der eine wie der andere zeige sein Gesicht gegen Rassismus und Rechtsextremismus.

Im Podium saßen neben Lothar König auch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Landtagsabgeordneter Wulf Gallert (Die Linke), Falko Grube als Vorsitzender der SPD Magdeburg sowie Pascal Begrich als Geschäftsführer des Vereines "Miteinander", der sich gegen Rechtsextremismus stark macht. Kabarettist Lars Johansen moderierte die Diskussion.

"Die Blockade gehört zum Protest. Also geht da hin, übt, euch wegtragen zu lassen!"

Sowohl Wulf Gallert als auch Claudia Roth ermutigten Magdeburger, sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu engagieren. Blockaden nicht ausgeschlossen. Roth: "Die Blockade gehört zum Protest. Also geht da hin, übt, euch wegtragen zu lassen!" Anhänger rechtsextremer Parteien hätten zwar das Recht, zu demonstrieren, solange sie nicht verboten seien, "aber wir haben das Recht, zu zeigen, dass wir mehr sind", sagte sie. Roth forderte außerdem, sich einzumischen, und machte energisch deutlich, dass sie sich sehr wohl wohlfühlen wolle. "Ich fühle mich nicht wohl in einem Land, in dem Muslima, die ein Kopftuch tragen, unter Generalverdacht gestellt werden", nannte sie ein Beispiel. Deshalb sollten Magdeburger sich nicht nach dem Motto "Das geht mich nichts an" verhalten.

Auch Wulf Gallert forderte Beteiligung und den Kampf um die "bürgerlich-behäbige Mitte", zu der er sich selbst "auch ein wenig" zähle. Um das zu erreichen, brauche es den organisierten Antifaschismus.Gallert: "Und wir brauchen diesen Bratwurst-Antifaschismus, um die Mitte der Gesellschaft zu gewinnen." Pascal Begrich erinnerte daran, wie früher 200 bis 300 Leute an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus teilgenommen hätten: "Das war nicht schön." Erst mit der Meile der Demokratie sei es gelungen, weitere Akteure aus der Gesellschaft für den Protest zu gewinnen.

Für den 70. Jahrestag der Bombardierung Magdeburgs und die Meile der Demokratie am 17. Januar seien bislang keine Demonstrationen von Rechtsextremisten angemeldet worden, berichtete er. Im Hinblick auf Pegida und Magida (Magdeburger gegen die Islamisierung des Abendlandes)erklärte er, Rechtsextremismus und die neuerliche Strömung seien "zwei unterschiedliche Paar Schuhe", personelle Schnittmengen gebe es nicht. Die "Magida"-Gruppe in Magdeburg sei zumindestens mehr als nur ein Facebook-Profil.

Dass sich die Gruppe, die "gegen die Islamisierung des Abendlandes" demonstriert, in der Landeshauptstadt etablieren werde, glaubten die meisten im Podium nicht. "Vielleicht geben sie auch wieder auf, wenn wir zeigen: `Ihr seid auch nur ein Teil des Volkes`".

"Das Menschgewordene aus den Kommentarspalten des Internets."

Für Falko Grube ist Pegida das "Menschgewordene aus den Kommentarspalten des Internets". Im Diskussionsforum hatte er einen schweren Stand, weil immer wieder Kritik an ihn herangetragen wurde, die Lutz Trümper galt. Der Oberbürgermeister war nicht vor Ort. Von ihm hätte sich Wulf Gallert ebenso wie von der Landesregierung gewünscht, "dass er sich solidarisch zeigt" mit der Bewegung gegen Rechts.