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Hochwasserschutz in Magdeburg 7300-facher Protest gegen EU-Naturschutz

An die 7300 Unterschriften haben Bernd Dommning aus Pechau und Magdeburgs Stadtrat Günther Kräuter gesammelt, um bei der Europäischen Union (EU) ein Einlenken in Sachen Hochwasserschutz zu bewirken.

Von Michaela Schröder 28.02.2015, 02:29

Magdeburg l "An Alter Elbe und im Umflutkanal sollen im Sinne der Gefahrenabwehr auch Bäume und Sträucher entfernt werden dürfen, die den Fluss des Wassers behindern", erklärt Stadtrat Günther Kräuter die Hintergründe der Aktion. Allerdings gehören diese Gebiete in ein Schutzgebiet der EU namens Flora-Fauna-Habitat "Elbaue", ein sogenanntes FFH-Gebiet, in dem, so die gängige Meinung, zum Schutz der Tiere und Pflanzen kein Eingriff erfolgen dürfe.

Mit der Unterschriftenaktion fordern die Bürger, dass die zuständigen EU-Behörden den Naturschutz für Alte Elbe und Umflut kippen. "Die Hochwasserstudie der Technischen Universität von Dresden liegt seit November 2014 vor. Sie sagt eindeutig aus, was eigentlich schon bekannt war, dass die Rodung des Wildwuchses im Umflutkanal und das Ausbaggern der Alten Elbe die Hochwassersituation entscheidend beeinflussen", erklärt Kräuter. Allein die Entfernung des starken Bewuchses im Umflutkanal im Bereich der Haberlandbrücke senke den Wasserspiegel bei Hochwasser um 40 Zentimeter.

"Hintergrund der Aktion ist auch die Nachricht, dass erst 2016 der linke Umflutdeich saniert werden soll und das Arbeitspapier zur Pflege von Umflut und Alter Elbe noch nicht fertig ist", erzählt Bernd Dommning, Vorsitzender des Pechauer Ortschaftsrates.

Die Unterschriftenlisten wird Günther Kräuter in den nächsten Tagen den deutschen EU-Abgeordneten Arne Lietz persönlich in Brüssel übergeben.

Auch Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper beteiligt sich an der Unterschriftenaktion. Das Stadtoberhaupt hat nicht nur auf einer der Listen unterschrieben, sondern auch ein Schreiben für das EU-Parlament verfasst, in dem er die Rodungen von starkem Bewuchs in Umflut und Alter Elbe befürwortet. "Die Flussbetten müssen aus dem FFH-Gebiet raus, die haben da meiner Meinung nach nichts drin zu suchen, das ist ein Fehler gewesen, die dort reinzunehmen", sagte Trümper im Volksstimme-Gespräch.

Bereits 2013 hatte eine Stadtratsmehrheit dem OB für Verhandlungen mit dem Land und der EU das Mandat erteilt - eine umstrittene Entscheidung mit einem noch ungewissen Ausgang. Das Thema sei bei der EU noch nicht angekommen, berichtete Trümper. Zurzeit würde eine Arbeitsgruppe fundierte Argumente für die Herauslösung von Umflut und Alter Elbe aus dem FFH-Gebiet zusammentragen.

Aus dem Lager der Linken hagelt es mittlerweile massiv Kritik an der Unterschriften-aktion. Frank Theile, Fraktionsvorsitzender der Linken bezeichnete die Maßnahme als Biertisch-Mentalität. "Dieser Reflex zu sagen, weg mit dem Umweltschutz, ist falsch. Wir müssen Hochwasser- und Umweltschutz miteinander vereinbaren", so Frank Theile. Der Linken-Stadtrat hatte bereits den Stadtratsbeschluss zur Herauslösung von Alter Elbe und Umflut aus dem FFH-Gebiet kritisiert.

"Statt die Frage zu beantworten, warum seit Jahren der amtierende Oberbürgermeister nicht dafür sorgte, dass vorhandene Möglichkeiten einer naturschutzkonformen Unterhaltung im Umflutkanal und der Alten Elbe genutzt werden konnten, führen seine Anhänger seit Wochen Scheingefechte", tadelt auch Linken-Stadtrat Karsten Köpp.

Bei einem Pressegespräch der Linken Anfang der Woche mit Prof. Dr. Volker Lüderitz von der Hochschule Magdeburg-Stendal und Christian Kunz von BUND Sachsen-Anhalt wurde die Einschätzung getroffen, dass die Möglichkeit zur Verbesserung des Hochwasserschutzes auf dem Stadtgebiet begrenzt sei. "Da die Elbe 85 Prozent ihrer ursprünglichen Überflutungsfläche verloren hat, kann eine wirkliche Entlastung der Stadt nur durch Schaffung von großen Überflutungsflächen oberhalb von Magdeburg (im Süden) erreicht werden, weil so die Hochwasserscheitel gesenkt werden können", erläuterte Christian Kunz. Maßnahmen an der Stadtstrecke wie das Ausbaggern und vollständige Entfernen der Vegetation hätten, wenn überhaupt, nur einen lokal begrenzten Einfluss auf die Hochwasserscheitel. Die Elbe müsse in ihrer Gesamtheit betrachtet werden und nicht nur der Abschnitt in Magdeburg. "Der Oberbürgermeister und der Stadtrat sind deshalb aufgefordert, sich beim Land Sachsen-Anhalt für die zügige Ausweisung solcher Flächen und die Umsetzung der Maßnahmen einzusetzen", fordert Linken-Stadtrat Frank Theile.

FFH-Gebiete sind im Allgemeinen keine Totalreservate, d. h. Pflegemaßnahmen seien nicht nur möglich, sondern meist auch erforderlich, berichtet Experte Prof. Dr. Volker Lüderitz, der an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Fachbereich Wasser- und Kreislaufwirtschaft arbeitet. "Eine Aufhebung der FFH-Gebiete ist also fachlich unsinnig und zur Durchführung notwendiger Pflegemaßnahmen nicht nötig", so das Fazit von Karsten Köpp und Frank Theile. "Die Aufhebung der Klassifizierung als besonderes Schutzgebiet kann in den Fällen erwogen werden, in denen die beobachtete natürliche Entwicklung diese rechtfertigt", argumentiert Theile. Zudem seien die vorliegenden hydrologischen Studien Modellberechnungen, die nur so genau sein können wie die ihnen zugrunde liegenden Daten und Annahmen, aber kein Argument für die Herauslösung von Umflut und Alter Elbe aus dem FFH-Gebiet.