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Wer gefährdet wessen Leben im historischen Gemäuer? Die Verfehlungen der Festungskulturellen

Christian Szibor, Geschäftsführer der Festung Mark, sieht sich und sein
Team zu Unrecht attackiert. Man habe Fehler gemacht, aber keine allzu
groben. Eine Stellungnahme der Stadtverwaltung sagt das Gegenteil

Von Katja Tessnow 25.06.2015, 03:11

Altstadt l Der Ordnungsbeigeordnete spricht von einem Vertrauensverlust in die Betreibergesellschaft der Festung Mark. Der Kulturbeigeordnete lehnt Hilfestellung beim Kampf gegen vermeintlich kulturgefährdende Auflagen mit hartem Tonfall ab. Der Oberbürgermeister spielt den Vermittler, nicht ohne auf ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Festungskulturellen und Amtsleuten zu verweisen - wegen ordnungsrechtlicher Probleme. Das habe er, Lutz Trümper, so von seinen Leuten gehört, sagt derselbst in einem Volksstimme-Gespräch. Schließlich legt das Stadtoberhaupt eine Drohung nach. Im Wiederholungsfall: Kündigung. Die Stadt ist Festungsbesitzer.

Christian Szibor und seine 14-köpfige Mannschaft füllen das historische Gemäuer mit Leben. Was haben die sich zuschulden kommen lassen? Woher rührt der Vertrauensverlust? Was genügt zum angedrohten Rauswurf? Dass sie sich lauthals und öffentlich über gängelnde Ämter und mangelnde Kommunikation zwischen Verwaltern und Kulturpflegern beklagt haben? Das zumindest war Anlass für die offenen Attacken vom Amt.

Faktenreich legt Szibor nun in einem Brief an den OB und alle Ratsfraktionen offen, was er und seine Leute sich hätten in 14 Jahren Festungskulturgeschichte zuschulden kommen lassen. Szibors Credo: Jeder mag sich selbst ein Bild machen.

Fall 1: Anno 2011 lädt die Festung zum Töpfermarkt und die Kundschaft strömt - am Volkstrauertag. Ein Fehler, denn an dem Tag ist Ruhe angeordnet. Das Ordnungsamt verhängt 1000 Euro Bußgeld. Szibor hinterfragt schriftlich, ob das mit Blick auf die Gemeinnützigkeit des Festungsbetriebs angemessen sei und bekommt als Echo eine Bußgeldrechnung an die eigene Adresse. Szibor soll 500 Euro zahlen. Das Widerspruchsverfahren endet mit Einstellung.

Fall 2: Zweimal bringen die Kulturmacher etwa zehn Plakate regelwidrig z. B. an Lichtmasten an; 3000 Euro Bußgeld sollen fällig werden. Nach einer Güteverhandlung werden nur noch 1000 Euro fällig.

Fall 3: 2013 überzieht das Impro Revival die Veranstaltungsfrist (bis 23 Uhr) um 30 Minuten - 1000 Euro Bußgeld.

Fall 4: Am Gründonnerstag, 18. April 2014, feiern Kollegen eine Firmenparty in der Festung. Als gegen 0.20 Uhr amtliche Kontrolleure den Saal betreten, tanzen noch fünf Personen. Das ist am Karfreitag ab 0 Uhr verboten. Szibor zahlt 350 Euro Strafe.

So weit. Mehr aktenkundige Verfehlungen weist Szibor aus 14 Jahren Festungskultur nicht vor. Allerdings erwähnt er weitere Hinweise von Kontrolleuren, die im Einvernehmen abgestellt wurden.

Zeitgleich mit Szibors Brief geht den Stadträten auch eine Stellungnahme der Verwaltung zur Sache zu. Baudezernent Dieter Scheidemann gibt Haarsträubendes zu Protokoll.

Überfüllung: Ende 2013/Anfang 2014 zählten Kontrolleure von Ordnungsamt, Bauaufsicht und Brand-/Katastrophenschutz bis zu 3000 Personen in der Festung (erlaubt waren dazumal nur 500, mit Sondergenehmigung bis zu 1500). Nach Auffassung der Kontrolleure habe aufgrund fehlender Sicherheitstechnik und gravierender Verstöße gegen geltende Brand-/Immissionsschutzvorschriften "eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Veranstaltungsteilnehmer" bestanden.

Weiterhin hätten Kontrollen 2013 bis 2015 folgende Missstände zutage gebracht:

- zugestellte Rettungswege
- defekte Rettungswegbeleuchtung
- Rauchen im Gebäude
- verkeilte Brandschutztüren
- abgestellte Rauchmelder
- zu wenig Sicherheitskräfte

Scheidemann begründet mit seinem Verfehlungskatalog die harschen Nutzungsauflagen für den künftigen Betrieb nach Bauabschluss mit bis zu 2500 Festungsbesuchern. Sie reichten vom elektronischen Personenzählsystem bis zum Verbot für Parallelveranstaltungen in Hof und Innenräumen und einem Rauchverbot auch im Hof. Nach Vermittlung des Stadtoberhauptes wurden die Auflagen entschärft. Für einen ordentlichen Betrieb ohne Überfüllung sollen die Festungsbetreiber nun wieder selber sorgen - ohne elektronisches Zählsystem und Verbot paralleler Veranstaltungen, aber bei angedrohter Kündigung für den Fall weiterer Verstöße. Das Rauchverbot im Hof wird auf die Nachtstunden begrenzt.

Bis heute (offizielle Bauabnahme) haben Szibor und sein Team über ein Jahrzehnt auf einer Baustelle veranstaltet - mit unfertiger Sicherheits- und Veranstaltungstechnik. "In dieser schwierigen Phase wurden von uns Fehler gemacht", räumt Szibor ein. Der 33-Jährige, 2003 für seinen schon damals jahrelangen und ehrenamtlichen Einsatz für den Aufbau der Kulturfestung zum "Magdeburger des Jahres" nominiert, hofft auf Befriedung, sieht sich aber von einem Verdacht geplagt: "Vielleicht steht bereits ein lupenreiner und makelloser Kulturschaffender und Investor bereit, der das Objekt mit halbiertem Personalstamm effizienter verwalten könnte und mit den erteilten Nutzungsauflagen keine Probleme hätte." So, glaubt Szibor, ginge die Vielfalt in der Festung den Bach runter. "Die Kultur würde auf Sparflamme gesetzt und die Rudimente als Mäntelchen für ein auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Unternehmen herhalten."