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Tierschutzvereine sehen wachsendes Problem mit Streunerkatzen / Verordnung soll helfen Katzenjammer oder Notstand? Tierschützer entfachen Debatte um Kastrationspflicht

Von Jana Heute 14.02.2012, 05:23

Hat Magdeburg ein wachsendes Problem mit freilaufenden herrenlosen Katzen? Tierschutzvereine meinen ja und fordern unter anderem eine generelle Kastrationspflicht für Streunerkatzen nach dem Beispiel von Paderborn. Die Forderung sorgt für heftige Diskussionen.

Magdeburg l "Wir kommen finanziell und kräftemäßig an die Grenzen. Es kann nicht sein, dass die Stadt die Hauptlast bei der Kastration von Streunerkatzen auf die Tierschutzvereine ablädt und wir keinerlei Unterstützung bekommen. Deshalb fordern wir die Einführung der Kastrationspflicht für alle im Freien lebenden Katzen. Nur so lässt sich das Problem an den Wurzeln packen und sich eine unkontrollierte Vermehrung eindämmen." Erklärungsversuche eines unter Druck geratenen Tierschützers. Josef Fassl, Chef vom Magdeburger Bündnis für Tiere e.V., hat mit der Forderung nach einer generellen Kastrationspflicht für Streunerkatzen eine Diskussion entfacht, bei der ihm und den verbündeten Vereinen heftiger Gegenwind ins Gesicht bläst. Zumal die Tierschützer der Verwaltung und den Stadträten Desinteresse und Untätigkeit vorwerfen. So heißt es auf der Internetseite vom Bündnis für Tiere u. a.: "Weder mehrere Diskussionsangebote im Rahmen eines Runden Tisches, eine gemeinsame Erklärung der drei Vereine ... noch die direkten Einladungen zu Gesprächsrunden an die Ratsfraktionen und Vertreter des Veterinäramtes konnten bislang Stadträte und Verwaltung zum Handeln bewegen - und das Problem wird weiter vor sich hergeschoben, weil es angeblich keines gibt ..." Inzwischen blieben Vereinsmitstreiter teilweise privat auf den Kosten für Katzenkastrationen sitzen, berichtet Fassl. "Wir werden der Stadt in einigen Tagen die Rechnung präsentieren, was uns das alles kostet. Wir fühlen uns von den Verantwortlichen im Stich gelassen", schimpft er. Der Tierschutzverein e.V. 1893 stärkt dem Bündnis für Tiere demonstrativ den Rücken und unterstützt das Anliegen "voll und ganz", wie Vereinschefin Gudrun Müller gestern der Volksstimme erklärte.

Zusätzlichen Zündstoff bekommt die Debatte, weil nicht nur die Kastrationspflicht gefordert wird. Ähnlich wie bei der in Paderborn und anderen Städten bereits existierenden Katzenschutzverordnung müsse es auch hier eine Kennzeichnungspflicht für die Freiläufer, etwa per Chip oder Tätowierung, geben, so Vereinschef Josef Fassl. "Wenn jemand eine Katze aussetzt, haben wir so die Chance, herauszufinden, wer das war", sagt er. Es gebe Schwerpunkte im Stadtgebiet, in größeren Wohngebieten, z. B. an der Astonstraße, wo regelmäßig "schubweise" herrenlose Katzen auftauchten und zu verwahrlosen drohten. "Um den Schutz dieser Tiere geht es uns und nicht um einzelne Katzen, die ihr Zuhause in der Eigenheimsiedlung haben und mal draußen sind", so Fassl.

Dennoch: Die Forderung der Kastrations- und Kennzeichnungspflicht bezieht prinzipiell alle freilaufenden Katzen (bis auf den Bereich Zucht) ein. Das setzt freilich eine funktionierende Registrierung dieser Tiere voraus. Die Kosten müssten die Halter tragen, so weit sie zu ermitteln sind. Eine Riesenaufgabe und viel Verwaltungsaufwand, der aus Sicht der Kritiker nicht gerechtfertigt ist. "Wir haben in Magdeburg überhaupt kein drängendes Katzenproblem", sagt zum Beispiel der Tierarzt und Stadtrat Dr. Klaus Kutschmann. Er empfiehlt zwar Katzenbesitzern, ihre Tiere kastrieren zu lassen - von einer Pflicht zur Kastration und insbesondere einer Kennzeichnungspflicht hält Kutschmann allerdings nichts. Auch dank der Arbeit der Tierschutzvereine sei man bei der "Katzenfrage" in Magdeburg eher in einer komfortablen Lage.

Also alles nur Katzenjammer einiger übereifriger Tierschützer? Auch der Leiter des Gesundheits- und Veterinäramtes, Dr. Eike Hennig, sieht keine Not mit herrenlosen Samtpfoten. "Von einer Katzenplage oder auch nur steigenden Zahl wild lebender Katzen können wir in der Stadt nicht sprechen." Das Tierheim sei keineswegs überfüllt, "selbst in der warmen Jahreszeit nicht, wenn die Zahl der herrenlosen Katzen naturgemäß ansteigt." Aus Tierschutzkreisen hieß es hingegen, das Tierheim habe in der Vergangenheit sehr wohl schon die Aufnahme von Fundtieren wegen Überfüllung abgelehnt. Die Aussagen bleiben widersprüchlich.

Laut Amtsleiter Hennig sind die jährlichen Aufnahme- und Kastrationszahlen im Tierheim stabil. Die Stadt zahle dort für die Kastrationen. Bei den Zahlen gebe es "keine Bewegung nach oben zu beobachten", hält er fest. Ähnlich sei es bei der Tierrettung. Auch dort würden nicht häufiger als sonst kranke oder verwahrloste Katzen aufgenommen. "Aus dem Tierschutzbeirat der Stadt, in dem ja auch die Vereine vertreten sind, kam ebenfalls kein Warnsignal", so der Amtsleiter. Für ihn alles Indizien dafür, dass es kein besonderes Problem mit den Streunerkatzen gibt, wenngleich auch Dr. Hennig zur Kastration von freilaufenden Katzen rät, um die Population langfristig im Griff zu behalten. Jedoch ohne Zwang. "Das gemeinsame Engagement von Vereinen, der Stadt und Privatbürgern funktioniert momentan sehr gut", findet er.

Das soll auch so bleiben, meint dazu FDP-Stadträtin Carola Schumann. Sie ärgert sich über den Frontalangriff der Tierschützer und verwahrt sich gegen den Vorwurf der Untätigkeit. "Sollte es in unserer Stadt ein wirkliches Problem mit der Katzenpopulation geben", sei man sehr wohl bereit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. "Doch dazu müssen zuerst Fakten vorgelegt werden, die die Notwendigkeit eines städtischen Handelns belegen", fordert Carola Schumann wiederum die Tierschützer heraus.