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  7. Studenten am Steuer der Straßenbahnen: Wirbel um Aushilfsjobs der MVB

Aushänge der Verkehrsbetriebe sorgen für Debatte über Ersatzfahrer im öffentlichen Nahverkehr Studenten am Steuer der Straßenbahnen: Wirbel um Aushilfsjobs der MVB

Von Leonard Hartmann und Robert Richter 10.10.2012, 01:15

Eine Stellenanzeige für Studenten, die als Aushilfsfahrer bei der Magdeburger Straßenbahn anheuern sollen, sorgt für Diskussionen. Die Volksstimme beleuchtet die Hintergründe mit einem glücklichen Studenten, skeptischen Kollegen und einer verschlossenen Geschäftsführung.

Magdeburg l Facebook-Nutzer verbreiteten den Aushang, mit dem die Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) um studentische Kräfte werben, im Internet. Seither diskutieren viele Magdeburger über die Aushilfsfahrer, ihre hohe Verantwortung für die Fahrgäste, die Ausbildung und Bezahlung.

Tim Stein durfte nach acht Wochen Fahrschule seine erste Schicht im Leitstand einer Straßenbahn fahren. Die MVB hatten die Kosten für die Ausbildung - mehrere Tausend Euro - für den 22-Jährigen, der an der Uni Kulturwissenschaften studiert, übernommen.

"Seit einem Jahr bin ich inzwischen Aushilfsfahrer bei den Magdeburger Verkehrsbetrieben", erzählt Tim, der einer der jüngsten Straßenbahnfahrer der Stadt ist. Statt sich im klassischen Studentenerwerb mit knausrigen Kneipenbesitzern und durchschnittlich sechs Euro pro Stunde abzufinden, kassiert Tim in der "Bimmel" 9,79 Euro pro Stunde plus Zuschläge. "Und damit bin ich sehr zufrieden."

Von offizieller Seite äußern sich die Verkehrsbetriebe nur sehr zurückhaltend dazu. "Aufgrund der Fluktuation suchen wir immer wieder studentische Aushilfen. Sie gibt es seit Jahrzehnten in den Verkehrsunternehmen, so auch bei uns", teilte Unternehmenssprecherin Juliane Kirste knapp mit. Maximal zehn Aushilfsfahrer würden ständig beschäftigt, sagte sie zur Nachfrage nach der Anzahl der Studentenfahrer. Diese würden vorrangig in Spitzenzeiten, etwa für Sonderbahnen zu Veranstaltungen, eingesetzt. Bus dürften sie aber nicht fahren. Die Hallesche Verkehrs-AG verzichtet übrigens komplett auf Studenten als Aushilfsfahrer. In Köln, Augsburg und anderen Städten springt der Akademiker-Nachwuchs hingegen ebenso wie in Magdeburg zuweilen im Leitstand der "Elektrischen" ein.

Aus den Reihen der Magdeburger Stammfahrer kommen hinter vorgehaltener Hand kritische Töne. Vor allem wird die Frage aufgeworfen, ob angesichts der Ausbildungskosten und der vergleichsweise hohen Fluktuation der Einsatz der Studenten die richtige Strategie im Kampf gegen Personalengpässe sei.

Aus dem MVB-Aufsichtsrat gibt es keinen Protest gegen das neuerliche Werben um studentische Straßenbahnfahrer. "So eine Stellenausschreibung gab es bereits 2009 und sie ist, soweit ich weiß, in Abstimmung mit dem Personalrat erfolgt", sagte Oliver Müller (Die Linke), der als Stadtrat im Aufsichtsgremium der Verkehrsbetriebe sitzt.

Seine Meinung: "Solange die Entlohnung entsprechend gültigem Tarif erfolgt, so dass von Billigangestellten keine Rede sein kann, kann ich mir gut vorstellen, dass Straßenbahnfahrer ein willkommener, weil auch nicht alltäglicher Studentenjob ist." Die MVB hätten schließlich auch die Erlaubnis, selbst auszubilden, was nach Überzeugung Müllers "gemäß allen notwendigen Bestimmungen auf einem hohen Niveau zur Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer erfolgt". Übereinstimmend mit Mitarbeitern spricht Müller von Problemen durch einen hohen Krankenstand unter den MVB-Fahrern. Die Ursache liege möglicherweise im gleichfalls hohen Durchschnittsalter des Personals.

Die Gewerkschaft "Verdi" sehe es naturgemäß dennoch lieber, es würden neue feste Stellen mit Tariflohn geschaffen, als Personallücken mit Aushilfen zu schließen, wie eine Sprecherin betonte. Für Student und Straßenbahnfahrer Tim ist der Aushilfsjob hingegen willkommene Abwechslung und gute Verdienstmöglichkeit: "Das Straßenbahnfahren neben dem Studium macht mir richtig Spaß - und das Geld stimmt."