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Landtag beschließt neues Gesetz mit mehr Befugnissen für die Polizei / Opposition klagt dagegen Von Ideologen und Pickelhauben

Von Jens Schmidt 21.02.2013, 02:13

Regierung und Opposition stritten erbittert. Es ging ums neue Polizeigesetz. Um Alkoholverbote, Videokontrollen, Handyabschaltungen und Bluttests, die nun möglich sind. Die Koalition stimmte zu. Die Opposition erhebt Verfassungsklage.

Magdeburg l Künftig dürfen Tatverdächtige oder Verletzte zum Bluttest beordert werden, wenn sie beim Einsatz Polizisten oder Sanitäter mit lebensbedrohlichen Krankheiten wie AIDS oder Hepatitis angesteckt haben könnten. Linke und Grüne lehnten das als massiven Eingriff in die persönliche Freiheit ab. Innenpolitiker Rüdiger Erben (SPD) hielt den Kritikern daraufhin den Spiegel der politischen Realität vor: Viele Bundesländer hätten ähnliche, fast wortgleiche Regelungen getroffen. Zuletzt sogar das von einem grünen Ministerpräsidenten regierte Baden-Württemberg. Mehr noch: Grün-Rot habe im Gegensatz zu Sachsen-Anhalt nicht einmal eine richterliche Überprüfung des Zwangstests vorgesehen. "Unsere Vorschrift ist geradezu harmlos im Vergleich zu dem, was Ihre Kollegen dort durchgesetzt haben", sagte Erben in Richtung Grüne.

Deren Innenpolitiker Sebastian Striegel, scharfzüngiger Kritiker des Gesetzes, meinte recht kleinlaut: "Bloß weil Grün-Rot ein schlechtes Gesetz verzapft, müssen wir das doch nicht gut finden." Großes Gelächter bei CDU und SPD. Die Revanche kam prompt, als Striegel die CDU zu "scheinmodernen Pickelhaubenträgern" degradierte.

Doch die Frontlinien verliefen nicht immer so klar, sie gingen in einem Fall auch durch die Koalition - nämlich beim Thema Polizeikennzeichnung. Die Opposition hatte gefordert, dass Polizisten auch bei Großeinsätzen an ihren Uniformen gekennzeichnet werden, damit sie bei möglichen Rechtsverstößen später erkannt werden können. Auch die SPD wollte das, nachdem bei einer Mitgliederbefragung fast 60 Prozent dafür gestimmt hatten. Immer mehr Bundesländer entscheiden sich für die Kennzeichnung.

Doch die CDU lehnte das Vorhaben dennoch ab, um die Beamten vor Anfeindungen zu schützen. Daher schlugen die Befürworter vor, die Namen der Polizisten mit einer Ziffernfolge zu verschlüsseln. Striegel sagte: "Auch die beste Polizei macht Fehler. Und Fehler müssen aufgeklärt werden." Das gehe nur, wenn individuelle Schuld festgestellt werden kann. Henriette Quade (Linke) ergänzte, dass viele Ermittlungen wegen mangelnder Identifizierbarkeit eingestellt würden. Doch die CDU war nicht zu erweichen und die SPD beugte sich der Koalitionsdisziplin.

"Auch die beste Polizei macht Fehler."

Sebastian Striegel, Grüne

Umstritten sind auch Videomitschnitte bei Personenkon-trollen und die Abschaltung von Handys in Gefahrenlagen wie etwa bei Sprengstoffanschlägen oder Geiselnahmen. Da Bomben oft nicht mehr mit einer Uhr, sondern per Handy ferngezündet werden, kann die Polizei künftig Funktelefone lahmlegen. "Dagegen hat ja keiner etwas - aber dann schreiben Sie es doch auch so ins Gesetz", forderte Linke-Fraktionschef Wulf Gallert.

Doch die Regierung setzte eine allgemeinere Formulierung durch. Alles andere sei gesetzestechnisch ungeschickt, sagte Erben. Die Opposition wittert dahinter Freiheitseinschränkungen - etwa solche, bei denen Handys von Demonstranten während der Protestaktion totgelegt werden können.

Mehr Rechte erhalten auch Städte und Gemeinden. Sie können Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen aussprechen. Magdeburg scheiterte vor Jahren mit solch einem Vorstoß wegen der fehlenden Gesetzesgrundlage.

Das neue Gesetz wurde bei namentlicher Abstimmung mit 63 zu 32 Stimmen beschlossen. "Sicherheit ohne Freiheit ist wertlos. Freiheit ohne Sicherheit hat keine Zukunft", sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Das neue Gesetz wahre die Balance, die Opposition führe einen irrationalen, ideologischen Kampf. Das sieht diese ganz anders. "Dieses Gesetz ist gefährlich", sagte zusammenfassend Innenpolitikerin Quade von der Linken. Ihre Fraktion und die Grünen werden vor dem Landesverfassungsgericht dagegen klagen. Auch die außerparlamentarische FDP mischte sich per Pressemitteilung in die Diskussison ein und nannte das Gesetz entmündigend.