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ARD verfilmt in Wanzleben die Geschichte des Berliner Grenzübergangs Bornholmer Straße Die tragikomischen letzten Stunden der DDR

Die Bornholmer Straße liegt kurze Zeit in Wanzleben. Für ein Filmprojekt
haben Kulissenbauer den einstigen Grenzübergang zwischen Ost- und
Westberlin auf einem Firmengelände am Rande der Bördestadt wieder
erstehen lassen. Im November 2014 soll der Streifen über den Tag des
Mauerfalls seine Fernsehpremiere im Ersten erleben.

Von Klaus-Peter Voigt 30.09.2013, 01:22

Wanzleben l Mauer, Schlagbaum, Kontrollhäuschen, der Eindruck ist nahezu perfekt. Die graue Betonstraße und alte, grelle Peitschenleuchten "made in DDR" komplettieren das Bild. Nostalgisch mutet die Autokarawane an, B 1000, Trabant und Wartburg geben sich mit Skoda und Lada ein Stelldichein. Die Sonne ist längst untergegangen, es ist Abend. Bis zum frühen Morgen wird gedreht.

Der Filmkalender steht auf dem 9. November 1989. Die legendäre Pressekonferenz mit Günter Schabowski und seiner Ankündigung "Privatreisen nach dem Ausland können ab sofort ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden ..." ist gerade vorbei. Nur kurz danach stehen die ersten Ostberliner am Grenzübergang Bornholmer Straße, wollen in den Westen.

Grenzer ohne Befehl und die Absurdität einer Nacht

Für die Passkontrolleure des Ministeriums für Staatssicherheit beginnen dramatische Stunden. Befehle bleiben aus, wie sollen sie handeln? Oberstleutnant Harald Jäger entscheidet irgendwann, die Tore in Richtung Westen zu öffnen. Die authentische Geschichte ist nun Filmstoff für Regisseur Christian Schwochow ("Der Turm"). Das Drehbuch seines Sohnes Rainer Schwochow und dessen Frau Heide will keine Dokumentation sein, keine akribische Aufarbeitung dieses Tages. Beide sehen es als eine Chance, die "Absurdität jener Nacht" aufzuarbeiten. Jana Brandt, Fernsehspielchefin des MDR, nennt "Bornholmer Straße" eine Balance zwischen Humor und Dramatik. Ein Perspektivenwechsel gegenüber anderen Filmen zu dieser Zeit findet statt. Es geht um den Mikrokosmos der Männer, die an jenem Abend Zivilcourage beweisen, die entscheiden, alle Kontrollen einzustellen.

Harald Schäfer heißt der Held in dem Projekt, die einzig authentische Gestalt, während alle anderen der Fantasie entspringen. Gespielt von Charly Hübner, steht der unter gewaltigem Druck. An die 200 Komparsen - ingesamt wirken an die 1600 mit - haben den Schlagbaum erreicht. Pausenlos skandieren sie: "Macht das Tor auf. Wir kommen wieder." Im Kontrollhäuschen brüllt der Offizier seine Vorgesetzten durch das Telefon an. "Hören Sie nur", sagt er und hält den grauen Hörer aus der kleinen Sprechklappe ins Freie. Die anderen Posten versuchen, die Menschenmassen zu beruhigen. Hilflosigkeit macht sich breit. Auch gerade deshalb nennt Charly Hübner die Rolle "wunderbar". Für sie habe er nicht nur mit dem einstigen Passkontrolleur lange gesprochen. "Der Zuschauer verlangt nach Authentizität. Das war für mich eine sportliche Herausforderung. Ich wollte die Sprache der Zeit aufgreifen, die allein durch Formulierungen und Tonlage für sich spricht", erklärt er seine Vorbereitung auf den Film.

Film zeigt, was in denen vorging, deren Weltbild 1989 zusammenbricht

Max Hopp schlüpft in die Rolle von Hauptmann Burkhard Schönhammer. Der ist ein harter Knochen, arrogant, eingebildet und ein Großmaul, der "wohl auch geschossen hätte". Für Hopp eine Herausforderung. "Widersprüchliche Figuren sind reizvoll", sagt er. Der Film eröffne zudem eine Chance, auch einmal zu zeigen, was in Menschen vorging, bei denen am 9. November "ein ganzes Weltbild zusammenbrach, die erleben mussten, wie die Massen eine bestimmende Kraft entwickelten". Das Ganze entwickelt sich zur Groteske, ohne dass die Betroffenen "verarscht" werden.

Und so steht die "Bornholmer Straße" in einer Reihe mit Filmen wie "Sonnenallee", "Good Bye, Lenin!" und "NVA". Der erste Trailer nach knapp zehn Drehtagen spricht dafür. Harald Schäfer steht in einer Szene vor dem Spiegel und hält ein Selbstgespräch. "Na sowas, ich habe heute ohne Befehl die Grenze geöffnet, die ich 28 Jahre bewacht habe, beschützt wie ein Kind", zieht er seine Bilanz des Geschehens.

Nach dem Dreh in Wanzleben ziehen die Filmemacher weiter. In authentischer Kulisse entstehen weitere Szenen im einstigen Grenzübergang Marienborn und in Berlin. Der Streifen, der pünktlich zum 25. Jahrestag der Ereignisse im November 2014 im Fernsehen zu sehen sein wird, entsteht in Koproduktion mit MDR, ARD und RBB. Geld steuern die Mitteldeutsche Medienförderung und das Medienboard Berlin-Brandenburg bei.