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Katholischer Bischof Gerhard Feige: "Reformation ist keine reine Erfolgsgeschichte" Kirchenstreit um Luther-Jubiläum 2017

Eine Thesenschrift des katholischen Bischofs Gerhard Feige aus Magdeburg
zum Reformationsjahr 2017 sorgt für Schlagzeilen. Der Bischof
kritisiert die Mythisierung von Martin Luther.

Von Oliver Schlicht 07.11.2013, 02:03

Magdeburg l Auf der zurückliegenden Deutschen Bischofskonferenz im hessischen Fulda sorgte der Bericht der Ökumenekommission für Wirbel. Der Grund: Der Vorsitzende dieser Kommission, der Magdeburger Bischof Gerhard Feige, präsentierte ein von ihm verfasstes Thesenpapier zum Reformationsjahr 2017.

Die kircheninterne Veröffentlichung der Schrift liegt zwar schon Monate zurück, sie wurde in der Öffentlichkeit bislang aber kaum wahrgenommen. Das änderte sich nach der Bischofskonferenz schlagartig. "Katholiken und Protestanten streiten über geplantes Lutherfest", titelte die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" in der vergangenen Woche.

Es sei falsch, so schreibt Bischof Feige in seinen Thesen, dass die Reformationsgeschichte "tendenziell als reine Erfolgsgeschichte beschrieben" werde. Weil sie "mit dem Schmerz der Spaltung" verbunden sei, wäre es aus katholischer Sicht nicht einfach, sie positiv zu würdigen.

Feige beklagt eine Mythisierung von Luther als Heilsbringer der modernen Gesellschaft. Er kritisiert eine Konzeptionsschrift des wissenschaftlichen Beirates der Luther-Dekade. Darin heißt es, die Reformation habe "das gesamte private und öffentliche Leben, gesellschaftliche Strukturen und Wirtschaftshandel, kulturelle Wahrnehmungsmuster und Mentalitäten ebenso wie Rechtsauffassungen, Wissenschaftskonzepte und künstlerische Ausdrucksgestalten mitgeformt". Feige: "Die katholische Kirche ist nicht hinter der Aufklärung zurückgeblieben. Das ist ein Mythos."

Der Bischof gilt als Verfechter der Ökumene. Er wolle, sagt er, der evangelischen Kirche auch nicht die Festfreude verderben. Aber es gebe "Hindernisse und Beschwernisse", die ein Mitfeiern der katholischen Christen schwierig gestalten.

Am 4. September 1517 veröffentlichte Luther seine 97 Thesen zur Kirchenkritik. Dieses 500. Jubiläum soll 2017 begangen werden. Die katholische Kirche ist von der evangelischen Kirche eingeladen, dieses Lutherjubiläum mitzugestalten. Die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann reagiert mit freundlicher Gelassenheit auf Feiges Anwurf: "Es ist gut, dass er auch provoziert und uns den Spiegel vorhält. Seine Befürchtungen kann ich in Teilen nachvollziehen." Die Reformation sei tatsächlich keine reine Erfolgsgeschichte. "Aus diesem Grund haben wir uns im Themen-Jahr 2013 ,Reformation und Toleranz\' auch sehr kritisch mit Luther auseinandergesetzt", sagt die Bischöfin. Das ökumenische Herangehen an das Reformationsjahr sei ihr wichtig. So sollen zum Beispiel zu den regionalen Kirchentagen 2017 in Mitteldeutschland die katholischen Bistümer in die Vorbereitungen von Beginn an mit einbezogen werden.

Der Kieler Theologe Prof. Johannes Schilling, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates zur Luther-Dekade, lässt die Kritik an der Konzeptionsschrift nicht gelten. "Die Reformation hat das Leben im Mittelalter ähnlich umfassend umgekrempelt wie die Wende 1989 das Leben der Ostdeutschen", vergleicht er. Mit vielen Facetten. "Zum Beispiel stieg die Arbeitsproduktivität in den evangelischen Gemeinden, weil es dort weniger Feiertage als bei den Katholiken gibt."

Ähnlich äußert sich auch der Vizepräsident der evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Thies Gundlach. Luther sei trotz aller Widersprüche eine Symbolfigur. Gundlach: "Die Reformation war ein Aufbruch. Der Wurf eines Steines in einen stillen See, dessen Wellen bis heute zu beobachten sind." Seite 4

Das Thesen-Papier von Bischof Feige dokumentiert die Volksstimme im Internet unter: www.volksstimme.de/thesen