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Koalitionspartner CDU ist gegen niedrigere Hürden bei Bürgerentscheiden SPD will mehr direkte Demokratie wagen

02.01.2014, 01:17

Magdeburg l Seit Sommer beschäftigt sich der Landtag mit dem Entwurf des neuen Kommunalverfassungsgesetzes des Innenministeriums. Viele Streitfragen sind noch nicht geklärt, der Städte- und Gemeindebund stellt zusätzliche Forderungen. Auf CDU und SPD kommen noch schwierige Verhandlungen zu. Drei Beispiele:

Bürgerbegehren: Künftig soll es leichter sein, ein Bürgerbegehren einzuleiten. Müssen sich dafür derzeit noch 15 Prozent der Einwohner auf einer Unterschriftenliste eintragen, sollen es in Zukunft nur noch zehn Prozent sein. Andere Länder liegen sogar unter fünf Prozent (Hamburg, Bayern, Thüringen). Das wünscht sich die SPD auch in Sachsen-Anhalt, die CDU scheint eher dem Entwurf des Innenministeriums folgen zu wollen.

Bürgerentscheide: Auf ein erfolgreiches Bürgerbegehren folgt der Bürgerentscheid. Die Regeln dafür werden heftig diskutiert. Bei Bürgerentscheiden stimmen die Wahlberechtigten zu einer Frage mit Ja oder Nein ab. Das Problem: Die einfache Mehrheit der Stimmen reicht nicht aus, damit dieser gültig ist. Zusätzlich müssen mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten mit Ja stimmen. Jeder Wahlberechtigte, der nicht abstimmt, zählt damit als Nein-Stimme.

"Nimmt man das zum Maßstab, wäre kaum ein Bürgermeister im Amt"

Ein Beispiel verdeutlicht das: In Stendal ist 2012 ein Bürgerentscheid gescheitert. Die Ansiedlung eines Discounters sollte verhindert werden. Ein Viertel der 34765 Wahlberechtigten hätte mit Ja (gegen die Ansiedlung) stimmen müssen (8692 Wähler). 25 Prozent der Wähler haben aber gar nicht abgestimmt, sondern nur 16,1 Prozent. Obwohl 70,3 Prozent (3893) gegen die Ansiedlung stimmten, hatte der Entscheid keine bindende Wirkung. Das 25-Prozent-Quorum wurde verfehlt.

SPD-Vizefraktionschef Rüdiger Erben möchte das Quorum absenken. Das Innenministerium nicht. "Ist eine Entscheidung wirklich demokratisch legitimiert, wenn bei einem Bürgerentscheid nur fünfzehn Prozent abstimmen?", fragt Innen-Staatssekretär Ulf Gundlach. Innenpolitiker Erben kontert: "Oft gehen so viele gerade mal zur normalen Kommunalwahl. Nimmt man das zum Maßstab, wäre kaum ein Bürgermeister rechtmäßig im Amt." Derzeit sieht es danach aus, als würde sich die CDU durchsetzen und das Quorum bei 25 Prozent bleiben.

Ortschaftsrecht: Ab dem Jahr 2019 sollen Ortschaftsvertretungen in Abhängigkeit der Größe der Ortschaft gewählt werden. Das Inneministerium will, dass es in kleinen Ortschaften keine Ortschaftsräte mehr gibt. Bei Orten mit bis zu 300 Einwohnern soll ein direkt gewählter Ortsvorsteher genügen. Nur größere Ortschaften dürfen zwischen dem bisherigen Ortschaftsrat-Modell oder dem Ortsvorsteher wählen.

"Viele Bürgermeister arbeiten aber gut mit den Ortschaftsräten zusammen. Warum müssen die bei weniger als 300 Einwohnern zwingend wegfallen?", kritisiert Jürgen Leindecker vom Städte- und Gemeindebund. Er sieht die kommunale Selbstverwaltung beeinträchtigt. "Was nicht landesweit geregelt werden muss, sollten Städte und Gemeinden in Eigenregie bestimmen."

Das Innenministerium lehnt das ab und gibt eine klare Empfehlung an den Landtag. "Ortschaftsräte kosten eben auch Geld und haben nur wenige Aufgaben. Das ist bei kleinen Ortschaften einfach nicht mehr angemessen", sagt Staatssekretär Ulf Gundlach. Vorbild sei Niedersachsen. "Da gehen viele Ortschaften freiwillig zum Ortsvorsteher-Modell über. Das wird bei uns auch kommen."