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Wolfgang Stiehl war politischer Häftling und engagierte sich für Rehabilitierung der SED-Opfer Ein unermüdlicher Kämpfer gegen das DDR-Unrecht ist tot

Von Birgit Neumann-Becker* 04.01.2014, 01:14

Magdeburg l Wolfgang Stiehl ist tot. Er verstarb am 1. Januar 2014, wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, in Magdeburg. Wolfgang Stiehl war lange Jahre im Vorstand der Landesgruppe der Opfer des Stalinismus in Sachsen-Anhalt (VOS) engagiert. Der gebürtige Schönebecker hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ehemalige politische Häftlinge der DDR in Sachsen-Anhalt in der Öffentlichkeit eine Stimme bekamen. Er berichtete über sein eigenes Leben, seine Inhaftierung als neunzehnjähriger Student und seine Hafterfahrungen.

Und er regte gleichzeitig viele andere dazu an, ebenfalls als Zeitzeuge in die Öffentlichkeit zu gehen. Sein Haftschicksal stellte er für die 1996 eröffnete Dauerausstellung in der Gedenkstätte "Roter Ochse" in Halle/Saale zur Verfügung.

Wolfgang Stiehl war bis in die letzte Zeit seines Lebens hinein als Zeitzeuge aktiv: Im Rahmen des Zeitzeugenprojektes setzte er sich unablässig dafür ein, dass die Nachgeborenen über die politischen Verhältnisse in der DDR informiert wurden und insbesondere auch das in der DDR verübte politische Unrecht benannt wurde.

Kaum einer überstand die Haft ohne Folgeschäden

Der andere Schwerpunkt seines Engagements lag im Ringen um die öffentliche und gesellschaftliche Anerkennung der Folgeschäden, insbesondere nach politischer Haft in der DDR. Die Arbeit des VOS in der Gedenkstätte am Moritzplatz und in der Gedenkstätte "Roter Ochse" in Halle besteht auch in der Beratung von SED-Opfern. Wolfgang Stiehl hat sich intensiv und langjährig dafür eingesetzt, dass Betroffene ihre Rehabilitierung erreichen konnten.

Insbesondere schmerzte es ihn, dass die Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden so schwierig zu erreichen ist. Hier liegt die Beweislast bei den ehemaligen politischen Häftlingen. Wolfgang Stiehl: "Kaum einer unserer Haftkameradinnen und -kameraden hat die jahrelangen Entbehrungen, Schikanen sowie eventuelle physische und die in allen Fällen aufgetretenen psychischen Folterungen ohne bleibende gesundheitliche Folgen überstanden." Er hat viel Kraft, Zeit und Ideenreichtum in die Lösung dieser Problematik investiert. Dabei blieb Wolfgang Stiehl ein lebensfreudiger und humorvoller Mensch. Verhaftet wurde er am 3. Februar 1953 unter anderem wegen der Weitergabe einer satirischen Zeitschrift: der "Tarantel". Die kleinformatige Zeitschrift entstand 1950 in Westberlin und erschien in 124 Auflagen. Die humorvolle und teilweise bissige Kritik gegen die Politik in der DDR traf dort auf erbitterten Widerstand.

Wolfgang Stiehl wurde zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt und im November 1956 vorzeitig aus der Strafvollzugsanstalt "Roter Ochse" in Halle entlassen. Er sagte in einem Interview: "Hier bist du ein Nichts gewesen." Diese Zeit hat ihn geprägt, aber nicht gebrochen.

Für sein Engagement erhielt Wolfgang Stiehl das Bundesverdienstkreuz. Die VOS, das Zeitzeugenprojekt und Sachsen-Anhalt haben einen unermüdlichen Zeugen verloren.

* Birgit Neumann-Becker ist die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt.