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Vorbereitung auf Magdeburger Neonazi-Aufmarsch Demo-Trainer: "Wir zeigen, dass wir nett sind"

Rund 20 Hundertschaften der Polizei werden am Sonnabend in Magdeburg im
Einsatz sein, um Rechte und Linke beim alljährlichen Aufmarsch der
Neonazis auf Distanz zu halten. Eine Stadt rüstet sich für den
alljährlichen Protest-Ausnahmezustand.

Von Matthias Fricke 14.01.2014, 02:19

Magdeburg. Der 27-jährige Mike Rufon gibt der Gruppe Anweisungen: "Einige von Euch stehen falsch da. Ihr müsst sicher sein, dass ihr von der Polizei nicht aus der Gruppe herausgerissen werden könnt." Die jungen Leute klammern sich nun fester aneinander. Dann fährt der selbsternannte Demo-Trainer fort: "Schieben ja, schieben dürfen wir. Aber, wir zeigen, dass wir nett sind. Das Friedlichkeitsgebot muss beachtet werden." Rufon habe zum Thema schon Seminare besucht und selbst an Massenprotesten wie zum G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 teilgenommen. Es klingt wie eine Qualifikation.

In einer zweiten Phase schlagen nun falsche Polizisten mit Kunststoffflaschen auf die Demonstrationsteilnehmer ein. "Ihr müsst durch das Schieben euch den Weg freilaufen", fordert der Trainer.

Die echten Beamten, die das Treiben aus nur wenigen Metern Entfernung skeptisch beobachten, schütteln die Köpfe. Einer von ihnen murmelt sogar: "Das ist ja ein Aufruf zur Straftat." Doch er bleibt gelassen und sieht weiter zu, wie die Demonstrantenschüler auf ihren roten Sitzpolstern mit der Aufschrift "Wenn\'s mal wieder ungemütlich wird. Die Linke." Platz nehmen.

"Wenn es in diesem Jahr kracht, können wir uns im nächsten Jahr warm anziehen." - Jochen Hollmann, Leiter des Verfassungsschutzes

Auch beim Bündnis "Nazifrei Magdeburg" laufen die Vorbereitungen. Dort werden den Demonstranten bereits "Sanitätsrufnummern" und ein "Ermittlungssausschuss" genannt. Wörtlich heißt es: "Unsere Anwälte werden auch zur Stelle sein, wenn es darum geht jemanden am Ende des Tages von der Polizei abzuholen." Konflikte sind offenbar einkalkuliert.

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes werden etwa 1000 Rechtsradikale aus ganz Deutschland erwartet. Etwa 600 bis 1000 Teilnehmer der angekündigten Gegendemonstranten rechnen die Experten der linksextremistischen Szene zu. Genaue Zahlen gebe es noch nicht, die Aufrufe und Mobilisierungen laufen aber in Städten wie in Berlin, Hamburg, Stuttgart und Frankfurt.

Man habe immer wieder feststellen müssen, so der Leiter des Verfassungsschutzes im Innenministerium, Jochen Hollmann, dass vor allem bei den linksextremistischen Gruppen der einfache Bürgerprotest als unwirksam diffamiert werde. Mit Sorge sieht der Leiter des Verfassungsschutzes für den Januar 2015 den bevorstehenden 70. Jahrestag der Bombardierung: "Wenn es in diesem Jahr kracht, können wir uns im nächsten Jahr warm anziehen." Umgekehrt könnte das Interesse an Magdeburg als Demonstrationsort vor allem für auswärtige Krawalltouristen unattraktiv werden.

Tom-Oliver Langhans, Einsatzleiter der Polizei, setzt alles auf einen friedlichen Verlauf: "Wir sind gut vorbereitet." Trotz der angekündigten Teilnehmerzahlen und vereinzelt gemeldeter gewaltbereiter Gruppen rechne der Leitende Polizeidirektor nicht mit Verhältnissen wie in Hamburg. "Darauf haben wir bisher auch keine Hinweise", sagt er. Allerdings halte er vereinzelte Angriffe von Einzeltätern und Kleinstgruppen gegen staatliche Institutionen durchaus für möglich.

Die entscheidende Planung der Einsätze beginne in den kommenden Tagen. Langhans: "Erst nach den Kooperationsgesprächen mit den Anmeldern stehen auch die Aufmarschrouten fest." Die Polizei werde "versammlungsfreundlich" agieren und sich neutral verhalten.

Im Mittelpunkt stehe, Ausschreitungen zu verhindern und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Zu den angekündigten Blockaden meint er: "Wir werden keine technischen Zwangsmittel wie Wasserwerfer gegen friedliche Demonstranten einsetzen. Der Schutz der Gesundheit und des Lebens ist höher zu bewerten, als das Versammlungsrecht", so Langhans. Er kündigt auch eine erhöhte Transparenz an. So wird ab Ende der Woche ein Informationstelefon für Bürger geschaltet sein.

"Ich unterstütze nur die Meile der Demokratie. Sonst nichts." - Lutz Trümper, Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg

Auch im Rathaus laufen Vorbereitungen zum Protest gegen den Aufmarsch der Neonazis. Das Motto der diesjährigen Meile der Demokratie lautet: "Den Nazis keinen Raum geben!" Gemeint sind dabei zahlreiche familienfreundliche Veranstaltungen vom Hauptbahnhof bis zum Breiten Weg, die den Platz der Neonazis zum Demonstrieren einschränken soll. Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) distanziert sich aber von Straßen-Blockaden: "Ich unterstütze nur die Meile der Demokratie. Sonst nichts." Die beste Blockade sei diese Veranstaltung, die in diesem Jahr ausgeweitet werden soll.