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Immer mehr psychisch kranke Sachsen-Anhalter nutzen die Telefonseelsorge der Kirchen "Nachts werden die Probleme riesengroß"

14.01.2014, 01:22

Magdeburg (epd) l Psychische Probleme und Orientierungslosigkeit finden sich zunehmend auch bei den Anfragen an Telefonseelsorger in Sachsen-Anhalt wieder. Bei den Beratungsgesprächen sei es 2013 inhaltlich vermehrt um psychische Erkrankungen und Beeinträchtigungen gegangen, sagte der Leiter der TelefonSeelsorge Magdeburg und nördliches Sachsen-Anhalt, Matthias Müller, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Themenbereich mache inzwischen rund ein Viertel aller Kontakte aus. Auch die Suche nach Orientierung spiegele sich stärker wider.

Diese Anrufer beschäftige unter anderem die Frage nach ihrer Rolle in der Gesellschaft und dem Sinn ihres Lebens, berichtete der evangelische Pfarrer. Die Seelsorger vermuten, dass viele soziale Beziehungen zunehmend weniger belastbar seien. Insgesamt werde bei der Magdeburger Telefonseelsorge für 2013 mit 23.000 bis 25.000 Anrufen gerechnet, etwa so viel wie im Jahr davor. Bis zu 20 Prozent der Hilfsbedürftigen würden mehrmals den Kontakt suchen. Auch Armut spiele eine große Rolle.

Müller zufolge kommen die Anrufe statistisch gleichbleibend zu jeder Tages- und Nachtzeit. "Wenn Menschen zwischen zwei und drei Uhr allein sind und draußen alles ruhig und dunkel ist, werden die Probleme zuweilen riesengroß", sagte er. In erster Linie gehe es bei den grundsätzlich anonymen Gesprächen darum, "zuzuhören und zum nächsten Schritt zu ermutigen". Im Fokus der Arbeit stehe der Gedanke, die Persönlichkeit der Anrufer zu stärken und sie so dabei zu unterstützen, die Krise nach ihren eigenen Möglichkeiten zu bewältigen.

Um echte Notlagen handele es sich im Durchschnitt bei fünf bis sechs Kontakten am Tag. Darunter seien immer wieder Menschen mit Suizid-Gedanken. Die Mehrzahl der Anrufer sei zwischen 30 und 60 Jahre alt. Die häufigsten Themen waren 2012 laut Müller psychische Probleme mit 18 Prozent gefolgt von Lebenssinn und Orientierungssuche (15 Prozent). Auf jeweils elf Prozent entfielen Vereinsamung sowie Schwierigkeiten in Partnerschaften und innerhalb der Familie. Etwa ein Drittel der Anrufer lebte allein. Für das Jahr 2013 würden ähnliche Zahlen erwartet.

Unter den ehrenamtlichen Mitarbeitern sind Polizisten, Juristen, Mediziner oder Verwaltungsangestellte. Dem Einsatz am Telefon geht eine einjährige Schulung voraus, bei der psychologische Kenntnisse und Gesprächstechnik vermittelt werden. Träger der öffentlich geförderten TelefonSeelsorge Magdeburg und nördliches Sachsen-Anhalt sind der Evangelische Kirchenkreis Magdeburg und das katholische Bistum Magdeburg. Weitere Telefonseelsorge-Standorte in Sachsen-Anhalt gibt es in Halle und Dessau-Roßlau. Die Zahl der Anrufe bei den drei Stellen zusammen schätzte Müller auf mindestens 60.000.