1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Grüne Woche: Schlemmen durch Sachsen-Anhalt

Volksstimme-Reporterin Elisa Sowieja kostete sich in Berlin durch das Angebot der Hersteller zwischen Arendsee und Zeitz Grüne Woche: Schlemmen durch Sachsen-Anhalt

18.01.2014, 01:20

Magdeburg l Sachsen-Anhalt ist ganz schön lecker. Das beweisen seit Freitag 82 heimische Aussteller bei der Grünen Woche in Berlin - der größten Ernährungsmesse der Welt. Eine Volksstimme-Redakteurin probierte sich an den Ständen durch Wurst, Wein und Wodka.

Am Eingang zur Halle 23b bleibt mein Blick an einem Bekannten kleben: der weiß-rote Schriftzug "Schierker Feuerstein". Ich schiele auf mein Handy: 9.28 Uhr. Nein, das ist eindeutig zu früh für Kräuterschnaps. Gleich daneben grinst eine Frau von ihrem Teestand herüber. Für Tee ist 9.28 Uhr perfekt.

Als ich vor ihr stehe, drückt mir die gutgelaunte Dame gleich einen Plastebecher in die Hand. "Ananas-Pfirsich - der Renner in diesem Jahr", sagt sie mit so viel Stolz, als stelle sie mir ihre Tochter vor. Ihr Name ist Stefanie Nagel; sie und ihr Mann besitzen das "Tee Café Cult" in Burg.

Während ich mein Trendgetränk probiere - schön fruchtig übrigens -, blicke ich durch die Regale mit unzähligen Päckchen. Nanu, was ist das denn? "Wilde Sau" steht auf einem. Die Burgerin grinst: "Das ist kein Tee, sondern Kräuterlikör zum Selbermachen. Sie gießen das mit zwei Flaschen Klarem auf und warten dann vier Wochen." Deutschlandweit gäbe es nur zwei oder drei Firmen mit diesem Angebot. Und wieso ist das besser als fertiger Likör? "Es ist alles Natur. Außerdem geht der Trend doch zu Selbstgemachtem." Klar: Stricken, häkeln, Schnaps ansetzen. Insgesamt 25 Likörsorten haben die Burger im Angebot, darunter "Liebestrank" und "Schietwetter".

Suppenkönigin aus der Altmark wirbt für NVA-Feldsuppe

Mein Magen knurrt. Um dort genügend Platz für den Leckereien-Parcours vorzuhalten, habe ich heute extra das Frühstücks-Müsli ausgelassen. Etwas Festes zwischen den Zähnen wäre jetzt grandios, zum Beispiel...Bierbrot! Das klingt gut. Am Stand der "Wiecker Conditorei" aus Wernigerode schneidet eine schöne Bäckerin ein Scheibchen für mich ab. Währenddessen übernimmt ihr Chef das Erklären: "Statt Wasser nehmen wir Hasseröder Schwarzbier", sagt er. Ein Fünftel des Brotes macht der Gerstensaft aus. Das heißt doch nicht etwa, dass man nach vier, fünf Scheiben kein Auto mehr fahren darf? "Nein, nein", beruhigt Michael Wiecker. "Der Großteil des Alkohols verbäckt." Eine leichte Biernote hingegen bleibt.

Einmal auf den herzhaften Geschmack gekommen, geht es weiter zum Stand von Halberstädter Würstchen. Obwohl die Firma mit ihren 131 Jahren eine sehr reife Dame ist, kommt sie immer noch mit jungen Ideen um die Ecke. Dieses Jahr sind es Weltmeister-Würste.

Die Bockwurst gibt es in zwei Sorten: im Brazilian Style mit Jalapenos - als Ode ans Gastgeberland - und im German Style mit Curry. "Das ist zwar kein typisch deutsches Gewürz, aber die Deutschen mögen Currywurst", erklärt ein herausgeputzter Marketing-Mann. Auch Bratwürste wurden mit WM-Noten versetzt - hier sind zusätzlich italienische (Pizzageschmack) und spanische (Chorizo) Würste im Angebot. "Wir haben uns nach den vier Titel-Favoriten gerichtet", sagt der Mitarbeiter. Aber hätte dann nicht eine Geschmacksrichtung gereicht? Es steht doch quasi schon fest, dass Deutschland Weltmeister wird. Der Wurst-Experte kontert geschickt: "Wenn es so weit ist, überlegen wir uns bestimmt eine spezielle Edition."

Als Marketing-Mann dürfte er ein bisschen neidisch auf Antje Mandelkow aus Kläden (Landkreis Stendal) sein. Denn für den Stand ihrer Firma "Kelles Suppen" hat sie ein besonderes Lockmittel mitgebracht: die "Suppenkönigin". Mit schneeweißem Kleid, Hochsteckfrisur und Diadem schreitet ihre Tochter Josefine durch die Sachsen-Anhalt-Halle. "Normalerweise habe ich noch eine Suppenkelle als Zepter dabei", sagt die altmärkische Hoheit. Die hat sie heute aber leider vergessen.

Dafür denkt sie daran, mir etwas zum Probieren anzubieten: NVA-Feldsuppe. Die ist aus gelben Erbsen gekocht und ein Verkaufsschlager, berichtet Antje Mandelkow. In ihrem 23-Mann-Betrieb werden pro Monat 45000 Dosen gekocht. "Wir kommen mit der Produktion kaum hinterher." Mich wunderts nicht. Die ist aber auch schön dickflüssig. Ein sozialistisches Gedicht...

Rabbiner kontrolliert, ob Magdeburger Wodka koscher ist

So langsam steht mir der Sinn nach etwas Süßem. Welch glückliche Fügung des Schicksals, dass drei Stände weiter die Marmeladenfirma "Zuegg" aus der Region Anhalt-Dessau ihre Zelte aufgeschlagen hat. Zu meiner Überraschung bekomme ich hier erstmal eine lehrreiche Lektion aufs Baguette geschmiert: Das Abc des süßen Brotaufstrichs. Birnenmarmelade ist nämlich gar keine Marmelade, erklärt mir eine nette, sehr kompetent wirkende Dame. Weil nämlich keine Zitrusfrüchte drin sind. Es ist eher ein Fruchtaufstrich - es sei denn, der Fruchtanteil liegt bei mindestens 45 Prozent; dann ist es Konfitüre. Aaah ja. "Ich hab\' dazu auch eine Powerpoint-Präsentation", witzelt sie.

Danach darf ich kosten - und werde dabei zum Glück nicht abgefragt. Das Feigen-Dingens ist besonders lecker.

Jetzt habe ich mir Wein verdient. Meinen Müller-Thurgau kredenzt mir niemand Geringeres als Bacchus, der Gott des Weines. Wie er an diese Position gekommen ist? "Man fühlt sich berufen", sagt er mit einer Selbstverständlichkeit. Als ihn der Ruf ereilte, ließ er sich den Bart wachsen, zog ein weißes Leinentuch über und warf sich ein paar Weintrauben über die Schulter.

Seitdem zieht er für die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut über Messen. Als Weingott ist es ihm natürlich ein Leichtes, mir zu erklären, warum mein Probeschluck so herrlich schmeckt: "Wir haben sehr mineralische Böden, viel Sonne und - das ist das Ausschlaggebende - die hübschesten Winzerinnen."

Jetzt ein Absacker. Der Abtshof aus Magdeburg hat etwas Neues im Angebot: koscheren Wodka mit Honig. Während ich kurz nippe - ich muss ja noch fahren -, erklärt mir eine Mitarbeiterin, was es mit dem Getränk auf sich hat: Es wird nach den Vorschriften des jüdischen Speisegesetzes gebrannt - ist demnach frei von Zusatzstoffen. Außerdem kämen nur die besten Feldfrüchte in die Flasche, sagt sie. Dass die Produktion ganz koscher ist, hat sogar ein Rabbiner kontrolliert.

Als ich aus Halle 23b eher herausrolle als -laufe, beschleicht mich eine Vorahnung: Ich glaube, wenn ich morgen früh mein Früchte-Müsli löffele, werden mir die NVA-Suppe und die Brasilien-Bockwürste ein bisschen fehlen.