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Hallesche Sekundarschule lehnt Ausnahme ab Auch Muslimin muss schwimmen lernen

In Halle haben muslimische Eltern versucht, den Schwimmunterricht für
ihre Tochter zu verhindern. Die Schule blieb hart, jetzt nimmt das
Mädchen in Ganzkörperkleidung teil.

Von Hagen Eichler 04.02.2014, 02:23

Halle/Magdeburg l Erst im vergangenen Jahr war eine in Frankfurt/Main lebende Familie mit dem Versuch gescheitert, die Teilnahme ihrer Tochter am Schwimmunterricht zu verhindern. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig entschied: Eine Befreiung vom Unterricht aus religiösen Gründen kann es nur im absoluten Ausnahmefall geben. Das Mädchen könne den eigenen Körper mit einem Ganzkörper-Schwimmanzug verdecken - dieser Kompromiss sei auch frommen Muslimen zumutbar.

Auch in Sachsen-Anhalt gibt es immer wieder Konflikte zwischen Schulen und strenggläubigen Eltern. Am Schwimmunterricht entzündete sich eine Auseinandersetzung in Halle-Neustadt: Die Eltern wollten verhindern, dass ihre Tochter leichtbekleidet zu sehen ist - und dass sie den Anblick von Jungen in Badehose erdulden muss. Die Sekundarschule bestand jedoch auf dem gemeinsamen Unterricht. Die Schülerin steigt nun in Ganzkörperkleidung ins Becken.

Ärger mit Weihnachten

Das Landesschulamt rät allen Schulen, Konflikte im Gespräch mit den Eltern zu lösen. "Es bringt wenig, die große Keule zu ziehen und mit Gesetzen zu kommen", sagt Elke Meyer, im Landesschulamt zuständig für Grund- und Förderschulen. Oft seien Kompromisse möglich. Beispielsweise im Fall einer Ethiklehrerin, die zum Unterrichtsthema Christentum mit der Klasse eine Kirche besucht. Wenn Eltern das keinesfalls akzeptieren wollen, sei es durchaus möglich, das Kind so lange in eine Parallelklasse zu stecken. "Wichtig ist aber, dass der Schüler orientiert wird, was die anderen bei dem Besuch gelernt haben."

Konfliktpotenzial steckt immer wieder im Thema Sexualität. Schon in Grundschulen ist Aufklärungsunterricht vorgesehen - manche Eltern finden das zu früh oder fürchten, dass der Unterricht ihren religiösen Überzeugungen widerspricht. Einen pragmatischen Weg hat die Grundschullehrerin Nadine Meyer an der Grundschule "Olbetal" in Eichenbarleben gefunden.

Lehrer brauchen unkonventionelle Lösungen

Der Fall: Die Eltern einer Viertklässlerin fanden, dass Aufklärung ins Elternhaus gehört, nicht in die Schule. Am Ende übernahmen sie es selbst, mit dem Kind über Begriffe wie "Vagina" und "Erektion" zu sprechen - der Rest der Klasse tat das im Unterricht. "In der Klassenarbeit hat das Mädchen dann eine Eins geschrieben", berichtet Meyer.

Schwieriger wird es, wenn Eltern auch die Teilnahme an wichtigen Schulereignissen verweigern. Die Zeugen Jehovas etwa lehnen Geburtstags- und Weihnachtsfeiern ab. Die Schulen sehen das ungern - sie fürchten, dass die Kinder dadurch zu Außenseitern werden. Dennoch werden Abmeldungen häufig hingenommen - die Schulleiter müssen im Blick behalten, dass ein eskalierender Konflikt den Schüler noch stärker belasten kann.

Schwierig ist das Problem auch deshalb, weil die meisten Lehrer ihren Beruf in der DDR gelernt haben und wenig über Glaubensfragen wissen. "Manch einer tut sich schwer damit, über Religion zu reden", sagt Elke Meyer vom Landesschulamt.

Glaube oder Tradition?

Es sind vor allem Schulen mit Einwandererkindern, die sich auf bislang ungewohnte Konflikte einstellen müssen. Die Grundschule Kastanienallee in Halle-Neustadt etwa hat einige Erfahrung: Sie unterrichtet Kinder aus 28 Nationen. Schulleiterin Doris Forstner besteht darauf, dass alle Kinder in der dritten Klasse schwimmen lernen. "Einwände sind oft gar nicht religiös begründet, da geht es eher um Traditionen", sagt sie. Aus ihrer Sicht ist entscheidend, dass eine Schule ihre Position gut begründet - und am Prinzip des gemeinsamen Unterrichts festhält. "Man kann sich ja auch nicht aussuchen, ob man am Matheunterricht teilnimmt."