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90 Euro Maut im Jahr für Straßennutzung 300 Kleingärtner sollen Wegzoll zahlen

07.03.2014, 02:18

Magdeburg l In einem alten Glaskasten hängt eine Kopie des Briefes, der die Fermersleber Laubenpieper derzeit in Rage bringt. Das Schreiben trägt den Titel "Verbot der Befahrung meiner Flurstücke". Darin wird 300 Kleingärtnern die Benutzung der Zufahrt zu ihren Schollen untersagt. In wichtigen Fällen könne man eine "Ausnahmegenehmigung" erteilen. Allerdings nur gegen eine Tagesgebühr von 35 Euro. Die Einhaltung des Fahrverbotes werde "stichprobenartig" kontrolliert.

"Meine Frau kann ich nun nicht mehr mit in den Garten nehmen", sagt Laupenpieper Dieter Kunze. Betroffen sind drei Gartensparten. Der 80-Jährige hat seine Scholle im Hasengrund. "Ich kann den Weg zu Fuß gehen. Meine Frau schafft das nicht mehr", sagt Kunze. Der Weg, der nun nicht mehr genutzt werden darf, ist mehrere Hundert Meter lang. "Und dabei geht jetzt bald die Gartensaison los", so Kunze. Gezahlt hat er noch nicht. Bisher wurden die Kleingärtner nur über Aushänge von der Gebühr informiert.

Was bisher geschah: Erst war nicht klar, wem der mit Schlaglöchern übersäte Weg überhaupt gehört. Das Stück, um das es nun geht, war lange im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). 2012 wollte die Bima den Weg verkaufen. Wie eine Bima-Mitarbeiterin der Volksstimme versichert, habe die Anstalt den Weg dem Verband der Gartenfreunde, Dachorganisation der Magdeburger Kleingärtner, angeboten. "Zur Pacht und zur Miete. Beides zum Schleuderpreis", wie die Mitarbeiterin sagt. Als die Bima nach mehreren Wochen Bedenkzeit keine Antwort erhalten habe, wurde das Flurstück bundesweit zum Verkauf angeboten. Schließlich schlug ein Mann aus Frankfurt/Main zu. "Wir fanden das auch komisch, dass jemand einen Weg kauft", heißt es aus der Bundesanstalt.

Der Neueigentümer setzte sich daraufhin mit dem Verband in Verbindung, kündigte in einem ersten Brief an, demnächst eine Jahresgebühr von 90 Euro zu erheben. Der Verband antwortete nicht, schaltete einen Anwalt ein. Dann schickte der Neueigentümer das Schreiben, das nun in den Glaskästen hängt und den Laubenpiepern die Benutzung der Buckelpiste untersagt. Das Schreiben ist zwar unterschrieben, hat aber keinen Briefkopf, keine Signatur, noch nicht einmal eine Telefonnummer ist angegeben. Auch für die Volksstimme war es noch nicht möglich, den Absender zu erreichen.

"Wir wurden auch gefragt, ob wir kaufen wollen", sagt die Vorsitzende des Verbandes der Gartenfreunde Magdeburg Ute Simon der Volksstimme auf Nachfrage. Man habe aber abgelehnt, da der Verband, der mehr als 230 Magdeburger Vereine vertritt, keine Zuwendung für einzelne beschließen dürfe. Heißt: Die Fermersleber Laubenpieper hätten den Weg selber kaufen müssen. Dass die Piste dem Verband auch zur Pacht angeboten wurde, konnte Simon nicht bestätigen. "Wir wollen vom neuen Besitzer jetzt erst mal einen Eigentumsnachweis sehen", sagt sie. Kurz bevor der Weg an den Frankfurter verkauft wurde, hatte der Verband Geld bei den Laubenpiepern eingesammelt. Grund: Die Buckelstrecke sollte in Ordnung gebracht werden. Mit dem Eigentümerwechsel wurde das nun hinfällig. Vorher hatten die Kleingärtner den Weg jahrelang mit ihren Autos in einer Art Gewohnheitsrecht befahren.

"Ich bin schon immer über den Weg gefahren, ist keine Begründung für ein Nutzungsrecht", sagt Holger Neumann, Landespräsident von Haus und Grund Sachsen-Anhalt. Den Fermersleber Fall möchte der Grundstücks-Experte nicht bewerten, da er nicht alle Vertragsdetails kenne. "Das ist eine sehr komplizierte Sachlage", sagt er. Grundsätzlich gelte aber, dass Eigentumsrechte Eigentumsrechte seien. Die Frage sei hier, ob tatsächlich ein Wegerecht entstanden sei und ob tatsächlich ein öffentliches Interesse daran bestehe, die Kleingärten mit dem Auto zu erreichen. Denn zu Fuß dürfen die Laupenpieper auch weiterhin zu ihren Schollen laufen. "Jetzt muss geklärt werden, wer den Zugang eigentlich angelegt hat und wer im Grundbuch steht", sagt Neumann. Er weist außerdem darauf hin, dass Nutzungsentgelte für Wege keine Seltenheit seien. "Drei bis sechs Prozent des Bodenwertes sind durchaus legitim", sagt er.

Dass die Stimmung in den Gartensparten derzeit nicht gut ist, bekommt auch die Volksstimme zu spüren. Bei einem Vor-Ort-Termin kommt ein Mann, schimpft und sagt, dass das Problem gelöst werde und die Zeitung jetzt keine Unruhe stiften solle. Der Vorsitzende der Gartensparte Hasengrund erwähnt dabei aber nicht, dass die vielen Schollen-Pächter seit zwei Jahren auf eine Lösung warten - seitdem ist nicht viel passiert.