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48-Jähriger hatte eine Waffe, viel Geld und eine Prostituierte bei sich Deutscher Jurist in Mailand festgenommen

Jörg L. war ein angesehener Richter in Niedersachsen. Doch immer mehr dunkle Details aus seinem Leben kommen ans Licht. Offenbar verkaufte er Prüfungsfragen und machte sich von dem Geld ein rauschendes Leben - einschließlich Schusswaffen und Prostituierten.

Von Björn Vogt 05.04.2014, 01:13

Lüchow l Es gilt inzwischen als einer der größten Justizskandale in Niedersachsen, und ausgerechnet ein ehemaliger Richter aus Lüchow-Dannenberg spielt die Hauptrolle in diesem Krimi: Jörg L., mit internationalem Haftbefehl gesucht, wurde in einem Mailänder Vier-Sterne-Hotel von Polizisten festgenommen. Der 48-Jährige hatte demnach eine geladene Waffe bei sich, 30.000 Euro in bar - und eine junge Rumänin. Der frühere Richter am Amtsgericht Dannenberg arbeitete seit 2011 im niedersächsischen Landesjustizprüfungsamt in Celle. Dort leitete der Jurist das Referat PA I, das sich mit dem Ersten juristischen Staatsexamen befasst. Vertretungshalber soll Jörg L. auch für das Zweite Staatsexamen zuständig gewesen sein und auch Prüfungen abgenommen haben. In seiner leitenden Position habe er auf jeden Fall Einsicht in die jeweils aktuellen Prüfungsfragen. In dieser Funktion soll er, so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Verden, gegen Geld Prüfungsfragen an Jura-Studenten verkauft haben: Die Staatsanwälte ermitteln wegen des Verdachts auf Korruption in einem besonders schweren Fall. Falls es zum Prozess kommt, drohen dem früheren Richter bis zu zehn Jahren Haft.

Aktuell müssen als Konsequenz in Niedersachsen rund 2000 Abschlussprüfungen von Juristen überprüft werden. Wie Justizstaatssekretär Wolfgang Scheibel aus Hannover mitteilt, hätten zwölf Sonderprüfer bereits mit der Untersuchung begonnen: "Wir müssen alle Prüfungen seit 2011 durchsehen." Die Experten sollen rückwirkend alle auffällig guten Examensleistungen überprüfen.

Wie aber kam man dem Juristen auf die Spur? Im Jahr 2013 stießen Mitarbeiter des Justizministeriums in Hannover auf einen Staatsexamens-Wiederholer, der in seiner Abschlussprüfung auffällig gute Leistungen erbrachte, die nicht zu seinen bisherigen passten. In der Folge fielen weitere Unstimmigkeiten in mehreren Bewertungen zum Zweiten Staatsexamen auf. Immer ging es um auffällige Verbesserungen der Noten - und gleichlautende Formulierungen wie in den Musterlösungen. Das Ministerium schaltete die Staatsanwaltschaft Verden ein.

"Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang", betont Lutz Gaebel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden. Ob und wie viele Studenten auf die Offerten des ehemaligen Richters eingingen, sei auch noch nicht klar. Und was kostet so ein "Service"? "Konkrete Preise kann ich nicht nennen. Es geht aber nicht um Kleingeld", betont Justizstaatssekretär Wolfgang Scheibel.

Jörg L. soll vor allem Prüfungswiederholern seine Dienste angeboten haben. Die Staatsanwaltschaft Verden bemüht sich derzeit um die Auslieferung des Juristen. Laut Spiegel online zeigten sich andere Prüfer und Kollegen des ehemaligen Richters in Celle überrascht von den Ermittlungen: Sie beschrieben Jörg L. demnach als "sehr seriösen Juristen und guten Redner, der bei zahlreichen Examensfeiern Ansprachen gehalten habe".

Inzwischen wurde ein Disziplinarverfahren gegen Jörg L. eingeleitet. Dem Antrag auf vorläufige Dienstenthebung hat das zuständige Dienstgericht bereits entsprochen und ihn suspendiert.