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Propagandaschlacht im Ersten Weltkrieg Ein "Negerlein" zum Abschießen für die Kleinen

Der Erste Weltkrieg wurde zweimal ausgefochten: In den Schützengräben
und an der Propagandafront. In der Heimat bekamen die Menschen im Alltag
vor allem Letztere zu spüren. In der Zeitung, auf Bildern und in
Karikaturen.

Von Oliver Schlicht 09.04.2014, 03:22

Magdeburg l Albert Bornemann war bestimmt von freundlichem, genügsamem Wesen. Die tief hängenden Augenlider, der Anflug eines Lächelns unter dem Schnurrbart, das Gewehr mit Bajonett lässig in der Rechten - nein, man kann sich kaum vorstellen, dass Soldat Albert dieses Bajonett auch wirklich benutzen würde. "Mein Großvater wurde zum Glück nicht direkt an der Front eingesetzt. Er versah seinen Dienst in einer Schreibstube", erzählt Barbara Fleck aus Blankenburg. In Frankreich sei er stationiert gewesen, die Aufnahme von ihm entstand in Köln.

Im privaten Leben führte Albert Bornemann einen Kolonialwarenladen in Quedlinburg. Er überlebte beide Weltkriege und starb mit 90 Jahren. Mit seiner Familie im Harz korrespondierte der Kaufmann während der gesamten Kriegszeit eifrig. "Er schickte viele Postkarten nach Hause, die sich zum Teil noch immer in unserem Familienbesitz befinden", berichtet seine Enkelin Barbara.

Unter den Karten gibt es auch drei lustige Zeichnungen, die Soldat Albert wohl seinen beiden Kindern zugedacht hat. Die Bildchen belegen zum einen, der Mann war tatsächlich den heiteren Dingen des Lebens zugewandt. Sie belegen aber auch, mit welcher Skrupellosigkeit in dieser Zeit schon Kinder mit Rassenhass und Nationalismus befeuert wurden.

So hängen am Schützenstand als Ziele kleine Negerlein mit Röckchen und Zielscheibe auf dem Bauch. Gleich daneben hängen ein türkischer Soldat mit Krummsäbel und ein Araber. Die Spielkameradin lädt freundlich die Waffe nach, während der Junge das Gewehr schon im Anschlag hält. Auf einer anderen Karte pflegt das Mädchen die verwundeten deutschen Soldaten, während der Junge mit der Peitsche in der Hand die Englische Dogge züchtigt.

Die Kriegspropaganda wurde in der Kaiserzeit kräftig genutzt, um neue Feindbilder zu schaffen. Ethnische und rassistische Vorurteile wurden gern bedient, um Stimmung gegen fremde Volksgruppen zu machen. Die moderne Entwicklung der Druck- und Fototechnik zum Beginn des 20. Jahrhunderts machten zum ersten Mal den breiten Einsatz von unterschiedlichen Medien möglich, die alle Schichten der Bevölkerung erreichten.

War der Rundfunk das Medium des Dritten Reiches, war es das Frontfoto, der Zeitungsaufmacher und die handkolorierte Postkarte im Ersten Weltkrieg. Die Kriegsverherrlichung ging aus nicht nur von Regierungsstellen und Militärbehörden, sondern auch von Zeitungsredaktionen, die sich nur allzu gern vor den nationalistischen Karren spannen ließen.

Erfolgsmeldungen wurden bewusst groß verkündet, während Niederlagen und Rückschläge der Armee verdeckt blieben. Der Krieg als Abenteuer, in dem gekämpft, aber auch gesungen und der Heimat gedacht wurde, entsprach genau dem Bild, welches in der Heimat bevorzugt vermittelt werden sollte. Unzählige Kitschkarten bedienten dieses Klischee.

Doch am Ende konnte die Propaganda nicht verhindern, dass die Deutschen in der Heimat und an der Front immer kriegsmüder wurden. Die ganze Kriegsverherrlichung fand immer weniger Beachtung. Das Ende der Kaiserlegende war dann der Anfang der "Dolchstoßlegende". Der Krieg sei nur deshalb verloren gegangen, weil die unbesiegte Armee von der Zivilbevölkerung "von hinten" erdolcht wurde.