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Produktion vom Wimpel bis zum Feuerkorb Knast-Jobs: Mörder baut Tische auch für Richter

Mehrere Betriebshallen verbergen sich hinter den Mauern von
Sachsen-Anhalts Langzeit-Gefängnis in Burg. Die Häftlinge bauen
Sandkästen, Büromöbel, Zäune und schneidern auch Schürzen und Wimpel.
Etwa 60 Prozent gehen hier einer geregelten Arbeit nach.

Von Matthias Fricke 25.04.2014, 03:15

Burg l Henadzi P. ist ein verurteilter Mörder. Er sitzt in der Justizvollzugsanstalt Burg lebenslänglich seine Strafe ab, weil der Weißrusse vor etwa 14 Jahren einen Landsmann kaltblütig umgebracht hat. Nun steht er an einer der modernsten Maschinen, die der Knast in Burg zu bieten hat. Das CNC-Bearbeitungszentrum der Tischlerei bohrt computergestützt Löcher in die Bauteile für Büromöbel, die später von seinen Mitgefangenen zusammengeschraubt werden. Inzwischen hat sich der 38-Jährige sogar zum Vorarbeiter der Abteilung hochgearbeitet. Seine Leistungen seien vorbildlich, attestieren ihm seine Handwerksmeister aus der Tischlerei. Henadzi P.: "Ich habe etwa ein bis zwei Jahre dazu gebraucht, mit der Maschine zurechtzukommen. Aber inzwischen läuft das sehr gut." Der Job sei eine "willkommene Abwechslung" im eher eintönigen Knastalltag.

"Wir haben nicht mehr Reklamationen als andere Produzenten." - Michael Otto, Landesbetrieb für Beschäftigung und Bildung

Mit flinken Fingern programmiert er die Maschine, dann surren die Bohrer schon.

Fast eine Million Euro Umsatz hat allein die Tischlerei im vergangenen Jahr in der JVA Burg erwirtschaftet. Mit den fünf angestellten Handwerksmeistern finden dort 30 Gefangene eine Beschäftigung. Zudem gibt es noch acht Umschulungsplätze. Hergestellt werden hier Büromöbel für die Landesverwaltung sowie auch die Gerichte. Auch Gartenmöbel aus Vollholz und Sandkästen sind im Sortiment.

Gleich nebenan in der Schlosserei arbeiten etwa 30 Gefangene und vier Handwerksmeister. Michael Otto, Niederlassungsleiter des Landesbetriebes für Beschäftigung und Bildung der Gefangenen in Burg: "Hier liegt der jährliche Umsatz im sechsstelligen Bereich." Besonders gefragt seien Zäune, Tore und der Feuerkorb mit Galgen und Glutdeckel für den Garten. Das 162 Euro teure Stück soll sich in den vergangenen vier Jahren schon mehr als tausend Mal verkauft haben, obwohl der Landesbetrieb für Beschäftigung und Bildung der Gefangenen keine offensive Werbung für seine im Knast hergestellten Produkte betreibt.

Einen Versand an Privatleute gibt es nicht. Auf einen Internetshop wie in Niedersachsen oder Brandenburg verzichtet das Land ebenfalls. Michael Otto meint: "Die Auftragsbücher sind auch so gut gefüllt, da reicht die Mund-zu-Mund-Propaganda." Ansonsten seien die Betriebe im Knast so organisiert wie in der freien Wirtschaft auch. Nur ist hier die Produktion nicht auf Gewinn orientiert, sondern die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben.

Nach Angaben des Justizministeriums reichen die Umsätze nicht einmal aus, um alle Ausgaben zu decken. Soweit in einem Wirtschaftsjahr Überschüsse entstehen, fließen diese in den Landeshaushalt. Das war beispielsweise 2012 der Fall, als der Landesbetrieb durch einen Großauftrag zur Lieferung von Büromöbeln für das Landgericht Halle einen Betrag von 38000 Euro abführen konnte.

Die Therapie und Ausbildung stehe im Vordergrund. Justizministerin Angela Kolb (SPD): "Für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist die Integration in den Arbeitsmarkt der Dreh- und Angelpunkt."

Was aber nicht heißen soll, dass im Knast nicht auch hart gearbeitet werden muss oder dass die Ware besonders fehlerhaft ist. Das Gegenteil soll der Fall sein. Niederlassungsleiter Otto: "Ich glaube, wir haben nicht mehr Reklamationen als normale Möbelproduzenten auch." Die Unternehmen, für die der Knast als Zulieferer arbeite, hätten sich noch nicht beschwert. Zudem müsste auch der Knastbetrieb streng die Termine einhalten.

So ist es auch im größten Betrieb der JVA Burg, der Schneiderei mit insgesamt 80 Beschäftigten. Einer von ihnen ist der 28-jährige Steven P. Der Gefangene aus der Altmark hatte vor seiner Haftzeit als System-Elektroniker gearbeitet. Bis Ende 2017 muss er seine Strafe absitzen. Wofür, darüber will er lieber schweigen. Mit seinen Vorkenntnissen besetzt er einen der Computerarbeitsplätze der Schneiderei. Dabei entwirft er unter anderem Muster für den Digitaldruck und verarbeitet Bilder weiter. "Es hilft, den Knastalltag zu überwinden", sagt er. Und außerdem könne er das Geld gut gebrauchen. Etwa 350 Euro im Monat erhält er. "Damit kommt man zurecht", so der 28-Jährige.

Von dem Geld bestellt er sich beim "Einkäufer" alltägliche Annehmlichkeiten, auf die er sonst verzichten müsste. Süßigkeiten, Zigaretten oder andere Dinge. Die Bestellung erfolgt über Listen, die Wünsche werden entsprechend durch Großeinkäufe erfüllt. Obwohl die JVA Burg ein reiner Männer-Knast ist, wird die Schneiderei nicht von allen Insassen als eher von Frauen dominierten Arbeitsplatz angesehen und abgelehnt. Steven P. drückt es so aus: "Die Feinmotorik ist zwar nicht jedermanns Sache, aber Probleme sehe ich darin nicht." Das sagt auch Schneidermeisterin Antje Meindl, die zurzeit wieder sechs neue Gefangene ein halbes Jahr einarbeitet. Sie sagt: "Wer absolut nicht nähen kann, der arbeitet eben im Versand."

"Wer sich weigert, dem kann sogar das Taschengeld gestrichen werden." - Thomas Wurzel, JVA-Leiter in Burg

Kreativ austoben könne man sich schließlich. So haben die Gefangenen schon Kinderfeuerwehruniformen entworfen und stellen diese auch für das Land Sachsen-Anhalt her. "Made by JVA" gilt nicht nur dafür. Auch Kochbekleidung, Fußball-Wimpel und Sportbekleidung zählen zum Sortiment. Niederlassungsleiter Otto: "Wenn die Gefangenen dann abends vor den Fernsehern sitzen und Biathlonwettkämpfe sehen, sagen sie, guckt mal, die haben wir gemacht."

Bei manchen Gefangenen helfen aber weder Geld noch gute Worte, wie der Leiter der Justizvollzugsanstalt Thomas Wurzel sagt. Es bestehe zwar eine Arbeitspflicht, die aber nicht jeder wahrnimmt. Ausgenommen sind nur Rentner und Gefangene, die körperlich zum Arbeiten nicht in der Lage sind. Wurzel: "Wer sich weigert, dem kann das Taschengeld, also die Lohnersatzleistung, gestrichen werden." Draußen würde man es als Hartz IV bezeichnen. Im Knast sind das 30 Euro im Monat.

Es gibt sowieso mehr Gefangene als Arbeitsplätze. Theoretisch wären von den 650 Insassen in Burg 550 zur Arbeit verpflichtet. 360 von ihnen sind aber nur beschäftigt.

Die Industrie- und Handelskammer Magdeburg hält die Arbeitsangebote im Justizvollzug für sinnvoll. Sprecher Torsten Scheer: "So haben Häftlinge auch aufgrund ihrer im Gefängnis erworbenen Fähigkeiten durchaus Chancen, eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden."