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Übung mit elf Nationen Militärmanöver: Niederländer aus Klietz gerettet

Sachsen-Anhalt liegt mittendrin im Kampfgeschehen - bei Jawetex 2014, dem größten deutschen Militärmanöver in diesem Jahr. In dieser Woche war viel los: Erst wurde Altengrabow bombardiert, dann eine Fregatte bei Helgoland angegriffen und schließlich Piloten aus Klietz gerettet.

Von Oliver Schlicht und Bettina Schütze 17.05.2014, 01:17

Holzdorf l Die Containerburg auf dem Luftwaffenstützpunkt Holzdorf (Landkreis Wittenberg) verdient ihren Namen. Mitten auf dem Gelände errichtet, ist sie von Stacheldrahtrollen umgeben, Posten kontrollieren am Schlagbaum und nehmen "Eindringlingen" die Handys ab. Die "Burg" ist Hirn und Überwachungszentrale der Übung. Hier laufen alle Manöverfäden zusammen.

Im Inneren des abgedunkelten Hauptcontainers blicken etwa 20 Soldaten auf Computer-Monitore. Auf mehreren Leinwänden laufen Übertragungen der Radarüberwachung des Flugverkehrs über dem Lawetex-Manövergebiet - Dutzende Linien und Punkte stehen für Hubschrauber, Kampfjets und andere Flugkörper. Auf einigen Monitoren sind rote Schildchen mit der Aufschrift "Secret" befestigt. "Da laufen Programme, die nicht fotografiert werden dürfen", klärt Oberstleutnant Stefan Gülpen auf, diensthabender Einsatzleiter.

Programme, die wirklich alles zeigen, was sich durch die Luft bewegt - in jeder Höhe, in jeder Geschwindigkeit und - im Gegensatz zu vielen ähnlichen Smartphone-Apps - in Echtzeit. Wenige Stunden zuvor hat Gülpen über seine elektronischen Helferlein den Absprung von sechs Fallschirmjägern über dem Truppenübungsplatz Klietz im Elbe-Havel-Land live verfolgt. "Die sind in der Nacht gesprungen", erzählt er. Zwar mit Nachtsichtgeräten, aber nicht mit speziellen Tarnschirmen. Von diesem Sprung haben die Männer erst wenige Stunden zuvor erfahren.

So läuft es überall bei Jawtex. Der Sprung war wie viele andere Einsätze Bestandteil eines riesigen Szenarios, dessen Drehbuch bereits 2012 zu schreiben begonnen wurde. 4500 Soldaten aus elf Nationen sind nun bemüht, die Aufgaben aus diesem Drehbuch so exakt wie möglich abzuarbeiten.

In erster Linie eine Luftwaffenübung

In erster Linie ist es eine Luftwaffenübung, bei der Tornados, Eurofighter, Black-Hawk-Kampfhubschrauber und andere Maschinen zwischen Schleswig (Schleswig-Holstein), Wittmund (Niedersachsen), Holzdorf, Stendal, Köln und Laage bei Rostock zum Einsatz kommen. Weil auf den Truppenübungsplätzen in Klietz und Altengrabow auch Bodentruppen beteiligt sind, spielt Sachsen-Anhalt im Zentrum Nord- und Mitteldeutschland eine wichtige Rolle. Aber auch die Bundesmarine mit mehreren Fregatten "spielt mit".

In Holzdorf verfolgt die Einsatzzentrale das gesamte Geschehen und zeichnet es zur späteren Auswertung auf. Richtige Granaten oder Bomben kommen bei den Übungen nicht zum Einsatz. "Es ist einfach nicht notwendig, scharfe Munition einzusetzen", stellt Pressebetreuer, Oberstleutnant Andreas Emmerich, klar. Das sei mit der digitalen Fotografie vergleichbar. "Da können sie ja heute auf dem Display auch erkennen, ob das Bild ein Treffer war. Und müssen dazu nicht das Bild entwickeln lassen."

So liege zum Beispiel im Rahmen der Übung die Fregatte "Hamburg" vor Helgoland in der Nordsee und werde derzeit mehrfach täglich von Kampfflugzeugen angeflogen und ins Visier genommen. Emmerich: "Da ist die Frage, gelingt es der Fregatte trotz raffinierter Störmanöver, diese Flugzeuge rechtzeitig zu erkennen und auf elektronischem Weg Gegenmaßnahmen einzuleiten." Insgesamt 28 solcher Anflüge gegen die "Hamburg" habe es in dieser Woche gegeben. Alle seien von dem Schiff erfolgreich abgewehrt worden.

Ganz ähnlich muss sich der Truppenübungsplatz Altengrabow im Jerichower Land gegen virtuelle Bomben wehren. Dort sind derzeit rund 450 Soldaten der bodengebundenen Luftverteidigung - zwei deutsche Stellungen und eine französische - an der Übung beteiligt. Eine weitere deutsche Stellung ist in Burg stationiert.

Die Bundeswehr vertritt die Kampfstaffel vom Flugabwehrraketensystem "Patriot". Ähnlich wie die "Hamburg" wird Altengrabow von Verbänden angeflogen und ins Visier genommen. So flog in dieser Woche eine Staffel mit 20 Flugzeugen vom Luftwaffenstützpunkt Schleswig in Richtung Altengrabow. Dort hält Einsatzoffizier Stefan Wiegert die Stellung. "Unsere Aufgabe ist es, den Schutz vor gegnerischen Luftstreitkräften sicherzustellen", erklärt er. Dazu wird eng mit der französischen Staffel zusammengearbeitet.

Die französische Luftwaffe ist mit dem Luftabwehrgeschwader "Roter Teufel" vom Militärflugplatz Avord vor Ort. Die Franzosen haben verschiedene Systeme wie zum Beispiel Radarortungsmittel, Luft-Boden-Koordinierungsmittel und das Luftabwehrrakentensystem "Mamba" in Betrieb gesetzt. "Diese Systeme neuerer Generation sind zum ersten Mal außerhalb Frankreichs eingesetzt und mit den deutschen Führungssystemen verbunden", erzählt Major Eric Achin, Kommandant des 2. Französischen Luftabwehrgeschwaders, in Altengrabow.

Insgesamt kommen 800 der 4500 Soldaten aus den JawetexPartnerländern. Auf dem Truppenübungsplatz in Klietz sind etwa 500 deutsche und niederländische Fallschirmjäger eingebunden. Am Montag Vormittag ab 10 Uhr ist in Klietz eine große Luftlandeübung vorgesehen, bei der 420 Fallschirmjäger gemeinsam aus Flugzeugen "C-160 Transall" und "C-130 Hercules" abspringen werden.

Besatzung über Klietz "abgeschossen"

Bereits gestern hat Klietz die Manöverzentrale in Holzdorf beschäftigt, wie Einsatzleiter Gülpen berichtet. "Von Schleswig aus wurde eine niederländische Flugzeugbesatzung nach Klietz geflogen und dort abgesetzt. Wir haben damit einen Abschuss mit Überlebenden simuliert", erzählt er. Die Niederländer haben dann "in ihrer Not" um Rettung ersucht, weshalb vom Luftwaffenstützpunkt Holzdorf gleich mehrere Kampf- und Transporthubschrauber gestartet sind. "Die werden die Besatzung jetzt bergen." Dabei bleibt ein "Black Hawk" zur Absicherung in der Luft und kreist über dem Aufnahmeort. Nach der Aufnahme werden die "Abgeschossenen" nach Holzdorf gebracht.

So ganz ohne echte Munition kommt übrigens selbst das Großmanöver Jawetex nicht aus. Die Fallschirmjäger des Fallschirmjägerbataillons 373 üben auf dem Truppenübungsplatz Bergen (Niedersachsen) das Gefechtsschießen mit Feuerunterstützung aus der Luft. In Sachsen-Anhalt fällt dagegen kein echter Schuss.