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Vorbereitung auf Freiheit Neuer Vollzug mit Wohnheim-Flair

In den neuen Offenen Vollzug in Magdeburg ziehen ab heute die ersten der
39 Gefangenen und neun Bediensteten ein. Für 1,9 Millionen Euro
entstanden in dem Gebäude des ehemaligen Grundbuchamtes 50 Haftplätze.
Landesweit sind es 140.

Von Matthias Fricke 20.05.2014, 03:14

Magdeburg l Der Gefangenenchor "Klangzeit" stimmt am Montag zur Feier des Tages ein Lied an. Die Männer, allesamt Langzeitinsassen der JVA Burg, singen "Die Gedanken sind frei ...".

Die Gäste spenden schmunzelnd Applaus. Darunter sind Justizministerin Angela Kolb (SPD), der Präsident der Polizeidirektion Nord Andreas Schomaker und der Leiter der Burger Anstalt Thomas Wurzel. Letzterer sagt etwas später: "Die Chormitglieder haben mir gesagt, dass sie hier sofort einziehen würden. Das geht leider nicht, weil die meisten noch viele Jahre von diesem Haus hier getrennt sein werden."

Der Offene Vollzug steht nämlich meist am Ende der Haftzeit als ein Training für das Leben in Freiheit. Wurzel: "Nur zehn bis 20 Prozent eignen sich dafür aber überhaupt." 39 Gefangene der JVA Burg sind es gegenwärtig. Sie waren bisher in alten Wohncontainern hinter dem Magdeburger Landgericht untergebracht.

Gefangene sammeln Erfahrungen im Alltag

Nun ist das ehemalige Grundbuchamt gleich nebenan für 1,9 Millionen Euro zum sicheren "Männer-Wohnheim" umgebaut. Es gibt zwar einen kleinen Wachbereich am Eingang und alarmgesicherte Notausgangstüren. Mehr aber auch nicht. Theoretisch könnte jeder gehen, wenn er wollte.

Justizministerin Angela Kolb: "Hier können die Gefangenen Erfahrungen in der Alltagswelt außerhalb der Anstaltsmauern sammeln. Es soll für sie ein gleitender Übergang in die Freiheit sein." Nur abends, nach der Arbeit, kehren die Häftlinge zurück in ihre Unterkunft.

Diese besteht aus 19 Doppel- und zwölf Einzelzimmern. Es gibt Gemeinschaftsräume, Waschmaschinen und auf den Fluren auch Küchen, um sich selbst Essen zubereiten zu können. Im Keller entstand ein kleiner Sport- und Fitnessbereich. Geplant ist auch noch eine Sportanlage. Diese soll später noch fertiggestellt werden.

Bisher fast kein Missbrauch der Haft-Lockerungen

Tagsüber arbeitet ein kleiner Teil der Gefangenen als Hausmeister in der eigenen Einrichtung, die anderen gehen außerhalb in der Stadt einer ganz normalen Beschäftigung nach. Wurzel: "Es sind feste Zeiten für die Rückkehr vereinbart, an die sich der Gefangene halten muss. Dafür gibt es aber auch Karenzzeiten, falls es mal ein wenig länger beim Einkaufen nach der Arbeit dauert."

Größere Verspätungen oder Verstöße gegen diese Regeln können den erneuten Einschluss im geschlossenen Vollzug zur Folge haben. Wohl deshalb habe es Missbräuche der Lockerungen bisher so gut wie nie gegeben, sagte Justizsprecherin Ute Albersmann. Die neun Justizbeamten halten außerdem einmal in der Woche Kontakt zu den Arbeitgebern der Gefangenen, um mögliche Fehltritte zu erkennen.

Sachsen-Anhalt Schlusslicht bei Vollzugslockerungen

Vom Verdienst der Arbeit außerhalb der Anstaltsmauern müssten die Gefangenen übrigens eine Pauschale im Monat von rund 100 Euro mit Verpflegung abgeben, ohne sind es 50 Euro, so JVA-Chef Wurzel. Dafür gibt es im Gegensatz zur Beschäftigung innerhalb der JVA Burg das volle Gehalt. Die "Hausarbeiter" erhalten, wie die Gefangenen im geschlossenen Vollzug, rund 100 bis 150 Euro.

Bundesweit gehört Sachsen-Anhalt bei Vollzugslockerungen übrigens zum Schlusslicht. "Wir haben uns aber vorgenommen zumindest den Bundesdurchschnitt zu erreichen", sagte die Justizministerin.