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Markierte Stimmzettel Altmärkerin fühlt sich ausgeforscht

Auf ihrem Stimmzettel standen die Begriffe "Frau" und "geboren 1970 bis 1979" - eine Wählerin aus Arendsee ist überzeugt, dass sie nicht geheim wählen konnte. Das Statistische Landesamt widerspricht.

Von Hagen Eichler 06.06.2014, 03:17

Arendsee l Auf den ersten Blick sah der Stimmzettel ganz normal aus: weißes Recyclingpapier, 24 aufgelistete Parteien und Wählervereinigungen, dazu die Ermahnung: "Sie haben eine Stimme." Dann aber sah Yvonne Pillmaier, dass zusätzlich zwei Informationen zu ihrer Person aufgedruckt waren: "Frau" stand da, "geboren 1970 bis 1979". Seither ist für die 40-Jährige klar: "Eine geheime Wahl nach demokratischen Grundsätzen war in Arendsee nicht möglich."

Zwar gab es wie vorgeschrieben Wahlkabinen, damit alle Wähler ihr Kreuz unbeobachtet setzen konnten. Die nützen aber nichts, glaubt die skeptische Wählerin, wenn ihr Stimmzettel mit persönlichen Merkmalen versehen ist. Das Wahlgeheimnis werde "systematisch und institutionell gebrochen", klagt die Frau. Sie hat deshalb das Ergebnis der Europawahl angefochten.

Damit ist die Kritik am Wahlsystem um eine Facette reicher. Direkt nach dem Urnengang hatte "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo für Aufregung gesorgt, als er bekannte, er habe als Doppelstaatler doppelt gewählt. Der Protest aus Arendsee hingegen richtet sich gegen die repräsentative Wahlstatistik (siehe Infokasten), die der Bundeswahlleiter erstellt. Hunderttausende Deutsche haben dafür am Wahltag präparierte Stimmzettel ausgefüllt, allein in Sachsen-Anhalt sind rund 65.000 Wähler betroffen.

Wahlgeheimnis sicher?

Sorgen um das Wahlgeheimnis müsse dennoch niemand haben, versichert Tobias Krüger vom Statistischen Landesamt. Im strittigen Wahlbezirk Arendsee 1 gebe es 1193 Wahlberechtigte. "Auf Einzelpersonen kann deshalb niemand Rückschlüsse ziehen."

Pillmaier widerspricht: Laut Gesetz sind Erhebungen in Wahlbezirken mit mindestens 400 Wahlberechtigten möglich. "Ich bin in einem Dorf großgeworden, und wenn da aus meiner Altersgruppe vielleicht fünf Stimmen abgegeben werden und davon eine für eine extreme Partei, fragen sich natürlich alle, wer das war."

Pillmaier hat für die FDP gestimmt und auch kein Problem damit, das zu sagen. "Aber ich will selbst entscheiden, wer erfährt, wen ich wähle." Unbehagen über die Datenerfassung gab es einst auch in der Politik: 1994 setzte der Bundestag die Wahlstatistik unter Verweis auf den Datenschutz aus - und 1998 erneut, als "Beitrag zum schlanken Staat", wie Union und FDP damals in ihrer Gesetzesbegründung schrieben. Erst auf Drängen von Forschern, Kommunen und Statistikern machte der Bundestag 1999 den Weg frei für die erneute Datenerhebung.

Höchst interessiert sind daran vor allem die Parteien - sie grübeln stets, welche Wählergruppen sie besser ansprechen müssen. Im September soll es die frische Statistik geben. Derzeit ist das Landesamt in Halle noch damit beschäftigt, Sachsen-Anhalts Stimmzettel auszuwerten.

In Berlin sammelt derzeit der Wahlprüfungsausschuss die Einwendungen zur Europawahl. Aktueller Stand: 40 Beschwerden liegen vor.