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25 Jahre Mauerfall Im Intershop duftete es süß nach Kapitalismus

Von Steffen Honig 07.06.2014, 03:20

Magdeburg l Für den russischen Revolutionsführer Lenin war der Imperialismus parasitärer und faulender Kapitalismus. Dies lernten schon Schulkinder in der DDR. Folglich musste "die imperialistische BRD" faulend vor sich hinstinken. Doch siehe da: Im Intershop, wo sich die Westwaren türmten, roch es ganz anders. Nämlich verführerisch nach einem inzwischen legendären Mix aus Fa-Seife, Tosca, Omo und Jacobs-Kaffee, wie es ihn heute nicht mehr gibt.

Die Intershops waren zunächst dazu gedacht gewesen, Besuchern aus dem Westen an den Autobahn-Raststätten sowie in Bahn-und Flughäfen Devisen aus der Tasche zu ziehen, die die DDR dringend brauchte. Das System, 1962 beschlossen, wurde aber bald ausgedehnt. Überall in den größeren Städten entstanden Intershops. Hier kauften Westdeutsche eifrig zu für sie günstigen Preisen ein. Bis 1974 durften DDR-Bürger offiziell kein Westgeld besitzen, weswegen sie als Kundschaft ausfielen.

Dann lockerte die Führung die Bestimmungen. Wer D-Mark besaß, die die Verwandtschaft dagelassen hatte, konnte sich im Intershop bedienen. Wer viel D-Mark besaß, war ein kleiner König und konnte die Puppen tanzen lassen. Das Westgeld entwickelte sich in der DDR immer mehr zur Zweitwährung. Für Westgeld war so gut wie alles zu haben, Autoersatzteile genauso wie Fliesen. Es gab dafür einen Code-Begriff. Wenn in einer Zeitungsanzeige "Blaue Kacheln" gesucht oder geboten wurden, war Westmark gemeint.

Die Staats- und Parteiführung, persönlich den alltäglichen Mühen der Mangelwirtschaft entwöhnt, sah dies mit Argwohn. Es wurde 1979 eine Ersatzwährung eingeführt: der Forumscheck. Allein damit konnten fortan Einheimische im Intershop bezahlen. Dazu musste das "echte" Westgeld in der Staatsbank umgetauscht werden.

Für die DDR-Wirtschaft ergaben sich daraus zwei Vorteile. Die Gefahr einer starken Parallelwährung als Maß aller Dinge war eingedämmt und der Staat kam schon beim Umtausch an die Valuta-Mittel und nicht erst, wenn sie über die Verkaufstheke wanderten.

Die in der DDR allgegenwärtigen politischen Witze machten selbstverständlich um die Intershops keinen Bogen. Einer geht so: Was ist schizophren? Wenn ein Volkspolizist im Shop über den Tresen springt - und um politisches Asyl bittet.