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Firmen fürchten Mindestlohn Unternehmer: "Das haut einem die Füße weg"

10.06.2014, 01:31

Zeitz (dpa) | Das Geschäft ist hart. "Es wird gefeilscht, bis das Blut kommt", sagt der Unternehmer Lutz Möbius aus Zeitz über seine Kundschaft. Taxifahrten, Kleintransporte oder Kurierdienste - mit rund 24 Mitarbeitern bietet der 55-Jährige alles rund um den Transport. Vier bis sechs Euro die Stunde bekommen seine Fahrer, je nach Auftragslage. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro sei in der strukturschwachen Region nicht hereinzuholen. "Das haut einem die Füße weg", sagt Möbius. "Viele tragen sich ernsthaft mit dem Gedanken, ihren Laden zum 31. Dezember zu schließen."

Ob ein gesetzlicher Mindestlohn Arbeitsplätze vernichtet, ist unter Volkswirten umstritten. Wesentlich hängt es von der relativen Höhe ab - gemessen am übrigen Einkommensniveau der Region. Und damit ist klar: Der bundesweit einheitliche Mindestlohn wird im Osten Deutschlands, wo das Lohnniveau teils deutlich niedriger ist, viel mehr Einfluss auf Menschen und Wirtschaft haben als im Westen.

15 Prozent der Arbeitnehmer ohne Mindestlohn

Bekommen Hunderttausende endlich einen angemessenen Lohn? Oder wird die Arbeitslosenquote - die etwa in Sachsen-Anhalt im Mai noch bei fast elf Prozent lag - stark steigen?

Nach einer Analyse des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle verdiente 2011 jeder vierte Beschäftigte in den ostdeutschen Ländern und Ost-Berlin weniger als 8,50 Euro die Stunde. In Westdeutschland war es dagegen nur jeder achte.

Eine jüngere Untersuchung der IHK Halle-Dessau - die die Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer befragte - kommt zum Ergebnis, dass in den Mitgliedsunternehmen rund 15 Prozent der Beschäftigten unter Mindestlohn-Niveau verdienen. Der Bau sei kaum betroffen, im Gastgewerbe aber rund die Hälfte aller Beschäftigten.

Angleichung der Wirtschaftskraft erschwert

"Das ist ein Problem, das den Osten wesentlich stärker treffen wird als den Westen", sagt Volkswirt Christof Altmann von der IHK. "Da werden viele Arbeitsplätze wegfallen." Er befürchtet für den Osten eine Negativspirale, die auch Menschen mitreiße, die bisher über dem Mindestlohn verdienten.

Insgesamt werde die Angleichung der Wirtschaftskraft in Ost und West weiter erschwert, die Abwanderung verstärkt. "Damit wird die Kluft sich vergrößern", sagt Altmann.

Doch in der Politik sprechen sich inzwischen alle im Bundestag vertretenen Fraktionen für einen Mindestlohn aus. Bei der ersten Lesung des Gesetzes am vergangenen Donnerstag wurde vor allem über die Ausnahmen gestritten, die Linksfraktion fordert 10,00 statt 8,50 Euro. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz verabschiedet werden. Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, erhofft sich davon eine stärkere Angleichung der Lebensverhältnisse - Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern hätten gezeigt, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht zu befürchten sei.

Unterschiedliche Lebenshaltungskosten berücksichtigen

Im ostdeutschen Gastgewerbe verdienen nach der IWH-Studie bislang mehr als zwei Drittel der Beschäftigten weniger als 8,50 Euro. In Mecklenburg-Vorpommern mit dem Touristenmagneten Ostseeküste wurde zum Beispiel ein regionaler Tarifvertrag von 7,50 Euro abgeschlossen, sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführer Matthias Dettmann in Schwerin. Er fordert, unterschiedliche Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen - das flache Land im Nordosten sei nicht mit Hamburg oder München gleichzusetzen. "Das passt nicht zusammen", sagt Dettmann.

Taxiunternehmer Möbius, der sich in der Wendezeit mit einem Wartburg als Ein-Mann-Betrieb selbständig gemacht hatte, sieht seine Firma vor nie gekannten Problemen. Er werde sein Angebot auf jeden Fall reduzieren müssen - mit schmerzlichen Folgen für die Region, wie Möbius sagt.