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Beratungsstelle für Frauen und Mädchen Flucht vor der Zwangsehe: Neustart mit anderem Namen

10.06.2014, 04:29

Magdeburg (dpa) l Die Zahlen sind vergleichsweise gering, aber es gibt auch in Sachsen-Anhalt Mädchen und Frauen, die vor drohenden Zwangsehen und Gewalt im Namen der Ehre flüchten. Im vergangenen Jahr beriet und begleitete die landesweit zuständige Fachstelle Vera in Magdeburg rund 40 Mädchen und Frauen. "Die Zahl sagt über das Phänomen nicht viel aus. Das ist nur der Teil der Mädchen, die den Mut aufbringen", sagte eine Beraterin der Nachrichtenagentur dpa. Sie bleibt genauso anonym wie die ratsuchenden Frauen. In der Arbeit zeige sich, dass Klischees nicht griffen. Muslimische Frauen seien ebenso betroffen wie christliche oder jüdische.

Allen sei gemein, dass sie in patriarchalisch geprägten Strukturen lebten. "Die Ehre der Familie, die des Mannes, ist die Frau. Ihr Verhalten wird als Gradmesser der Ehre gesehen", sagte die Beraterin. Die Frauen dürften beispielsweise ihren Partner nicht frei wählen, keine Ausbildung oder ein Studium beginnen und keine vorehelichen Beziehungen haben. Es gehe aber auch um Fragen der Lebensführung, Schwangerschaft oder Scheidung - das Spektrum ist breit. "Es geht um die Entscheidungsfreiheit", fasste es die Beraterin zusammen

Die Mädchen und Frauen - ihr Alter reicht von 13 bis Mitte 50 - würden zum Teil nur einmal beraten, andere wiederum würden ein halbes Jahr oder länger begleitet. Bei den jüngeren Frauen gehe es oft um Zwangsverheiratungen. Die Mädchen stünden zwischen der Kultur ihrer Eltern und der Integration in der Schule und Gesellschaft. Ältere Frauen hätten teils jahrelange schwere Gewalterfahrungen in der Partnerschaft.

Es geht darum, mit den Betroffenen erste Schritte hin zu einer neuen Lebensperspektive zu machen. Das kann so weit gehen, dass die Beraterinnen den Betroffenen helfen, in einer Wohngruppe unterzukommen, den Namen zu wechseln - den Kontakt zur Familie brechen manche Frauen komplett ab. In anderen Fällen können die Beraterinnen eine Verständigung zwischen ihren Klientinnen und deren Familien erreichen.

Die Mädchen und Frauen werden in den meisten Fällen von Ämtern und Behörden an die Fachstelle verwiesen, von Frauenhäusern, Schulsozialarbeitern, Migrationsberatungsstellen oder der Polizei. Die Fachstelle Vera wird von der Arbeiterwohlfahrt getragen und vom Land Sachsen-Anhalt in diesem Jahr mit 90.000 Euro unterstützt.