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Jugend forscht Die Schwermetall-Vernichter

Zwei Ökohelden starten durch: Maximilian Seidel und Lisa Schuchhardt
haben einen Weg gefunden, wie man Pflanzen in bleiverseuchtem Boden
beschützt. Dafür gab es jetzt Platz eins bei "Jugend forscht". Ein
Patent angemeldet haben die Sachsen-Anhalter auch schon.

Von Elisa Sowieja 18.06.2014, 03:25

Staßfurt l Aneurinibacillus migulanus - was unsereinem nur Knoten in der Zunge beschert, hat zwei Gymnasiasten aus dem Salzlandkreis den Bundessieg bei "Jugend forscht" eingebracht. Denn jenes Kauderwelsch-Wort ist die Bezeichnung für eines von zwei Bakterien, mit denen die Schlauköpfe Schwermetalle im Boden für Pflanzen unschädlich machen können. Das ist wichtig, weil das Gift die Wurzeln sonst am Wachsen hindert und die Pflanzen schließlich abknicken.

"Unsere Methode wirkt langfristig und funktioniert ganz ohne Chemie. Wir geben nur dem Ökosystem einen Tritt." So einfach ist das. Der Güstener Maximilian Seidel bringt eine Idee auf den Punkt, auf die noch kein promovierter Wissenschaftler gekommen ist. Ein Schüler, der erst seit einem Jahr Auto fahren und Verträge unterschreiben darf.

Wirkungskraft aus Bakterien und der Grasnelke

Besagte Bakterien sind in verseuchten Böden bereits enthalten. Man muss sie nur in der Petrischale vermehren - zum Beispiel mit Hefe - und das Ganze zurück in die Erde geben. Staßfurterin Lisa Schuchhardt, zarte 18 Jahre alt, schildert den Rest: "Sie bilden dann eine Schutzschicht um die Pflanzenwurzel, sodass sie ungestört weiterwachsen kann."

Damit das Schwermetall nicht nur unschädlich ist, sondern auch aus dem Boden verschwindet, gehört zum Rettungsplan der jungen Forscher auch die Grasnelke. Sie nimmt Schwermetalle auf und muss danach nur abgeerntet werden - arbeitet allerdings gähnend langsam. 200 bis 500 Jahre braucht sie für zwei Gramm Schwermetall. Dank der Bakterien mit den komplizierten Namen kann diese Zeit nun einfach überbrückt werden. Das Ganze funktioniert mit acht Schwermetallen.

Forschung im Naturschutzgebiet Salegaster Aue

Die Idee zum Projekt kam Maximilian Seidel schon 2012, als er ein Jahr lang in den USA lebte. "Ich habe in der Nähe einer Bergbauregion gewohnt", erzählt er. "Im Sommer durfte man dort nicht in den Flüssen baden, weil sie jede Menge Silber und Blei enthielten." Dagegen sollte man sich mal etwas einfallen lassen, dachte sich die ausgebremste Wasserratte.

"Unsere Methode funktioniert langfristig und ohne Chemie. Wir geben nur dem Ökosystem einen Tritt."

Als Maximilian zurück war, holte er Mitschülerin Lisa ins Boot und klopfte mit seiner Vision beim Landesamt für Geologie und Bergwesen an. Die Experten schickten die beiden zum Forschen in das Naturschutzgebiet Salegaster Aue. Da es nicht weit vom Industriegebiet Bitterfeld/Wolfen entfernt ist, liegt der Bleigehalt dort viermal so hoch, wie die Grenzwerte es erlauben.

Mit Bodenproben im Gepäck setzten sich die Jungforscher im Schülerlabor Gatersleben (Salzlandkreis) ans Mikroskop. Auf der Suche nach Bakterien in ihrer Erde stießen sie dann auf einige, sehr wenige Exemplare, die den Schwermetallen trotzten. Die könnten den Pflanzen helfen, vermuteten die Salzländer.

Eiweiße binden Schwermetalle

Ohne zu wissen, womit genau sie es zu tun hatten und ob die Bakterien tatsächlich etwas bewirken, reichten sie ihr Zwischenergebnis 2013 bei Jugend forscht in der Kategorie Geo- und Raumwissenschaften ein - und schieden in der Landesrunde aus. "Die Juroren empfahlen uns, dass wir das Projekt weiterentwickeln und dann noch einmal antreten", erzählt Lisa.

Also forschten die Zwei munter weiter und wurden fündig. Unter einem Fluoreszenzmikroskop entdeckten sie in den Bakterien Eiweißspuren. Volltreffer. Denn Eiweiße binden bekanntermaßen Schwermetalle; die Zwei hatten bewiesen, dass ihre Bakterien den Pflanzen helfen können. Mit einer DNA-Analyse, für die sie zum Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung nach Leipzig fuhren, schafften es die Salzländer dann auch noch, die Bakterien zu identifizieren.

Jetzt mussten sie nur noch testen, wie sie die Pflanzen-Beschützer am besten vermehren - im Vergleich zur Vorarbeit ein Kinderspiel.

Extrem beeindruckende "Jugend forscht"-Konkurrenz

Als Kirsche auf der Sahne servierten sie den Jugend-forscht-Juroren noch eine Kostenschätzung: Zwischen 2400 und 3400 Euro pro Kubikmeter Boden zahlt man mit ihrer Methode. Eine andere, rechneten sie vor, sei dreimal so teuer.

Doch auch wenn ihr Projekt jetzt wasserdicht erforscht war: Dass sie damit den Bundessieg holen, hätten die Zwei nicht gedacht. "Schon die Präsentationsstände der anderen beim Finale waren extrem beeindruckend", erzählt Maximilian Seidel. "Zwei kamen mit einem Traktor angefahren, einer brachte sogar einen Flugsimulator mit."

Staßfurter Gymnasium hilft bei Investition in Patent

Lisa Schuchhardt konnte sich das Spektakel im baden-württembergischen Künzelsau gar nicht erst anschauen: Sie lag krank im Bett. Vom Erfolg der beiden erfuhr sie deshalb in einer SMS. "Wir sind Bundessieger", stand darin. Sehr pragmatisch. Aber mehr brachte der überwältigte Maximilian im ersten Moment einfach nicht aufs Display.

"Zwei kamen zum Finale mit einem Traktor angefahren, einer brachte sogar einen Flugsimulator mit."

Vor dem Final-Wochenende haben die beiden noch schnell dafür gesorgt, dass niemand ihre Idee klaut. Sie meldeten ein Patent an. Eine teure Angelegenheit, erzählt Maximilian Seidel: "Alles in allem kostet das Patent etwa 3000 Euro." Aus den Vorrunden hatten die Salzländer rund 700 Euro zur Verfügung; an die Siegprämie beim Bundesfinale war damals nicht zu denken.

Damit sich die Zwei nicht verschulden mussten, leistete der stolze Schulleiter Schützenhilfe, Steffen Schmidt vom Dr-Frank-Gymnasium Staßfurt. Er vermittelte einen Kontakt zur Sparkasse, die den beiden ein Sonder-Darlehen gab. Das ist zinslos und muss nur zurückgezahlt werden, wenn die Zwei mit ihrem Projekt Gewinne einfahren.

Bundessieger wollen studieren

Mit der Patentanmeldung haben sich die Gymnasiasten die Rechte an ihrer Idee erst einmal reservieren lassen. Die Beantragung steht aber noch aus; vorher muss das Patentamt recherchieren, ob die Methode tatsächlich neu ist.

Wenn das Prozedere durch ist, fehlt nur noch ein Unternehmen, das den beiden ihr Patent abkauft. Mit dem Bundestitel in der Tasche können die Gymnasiasten gut die Werbetrommel rühren. "Firmen werden auf Erfindungen oft durch Artikel in Wissenschaftszeitschriften aufmerksam", erklärt Maximilian Seidel. "Dort als Jugend-forscht-Sieger etwas zu veröffentlichen, dürfte machbar sein."

Bis ihnen der erste Firmenboss einen Scheck vor die Nase hält, arbeiten die Ökohelden erst einmal weiter an ihren Superkräften - in Form von geballtem Wissen. Sobald sie ihrem Abitur den letzten Schliff verpasst haben - bei Maximilian läuft es auf einen 1,1er Schnitt heraus, bei Lisa auf 1,5 - fangen sie an zu studieren. Bei ihr soll es Physik sein, bei ihm Biologie. Mit dieser Wahl können sie später wohl noch mehr Giften mit vereinten Kräften das Fürchten lehren.