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Missbrauchsvorwürfe im Altenpflegeheim Schläge mit der Windel

Haben zwei Männer aus Bitterfeld-Wolfen demenzkranke Frauen im Altenpflegeheim missbraucht? Beide bestreiten das. Eine Auszubildende belastet die Angeklagten.

Von Oliver Schlicht 25.06.2014, 03:18

Dessau-Roßlau l Die Männer auf der Anklagebank des Landgerichtes Dessau-Roßlau schüttelten mit dem Kopf. "Nein, ich weiß auch nicht, warum sie so etwas erzählt", sagte der 29-jährige Lars W. auf Nachfrage von Richterin Elke Spohn. Mit "sie" war die Hauptbelastungszeugin gemeint: Justine G., zum Tatzeitpunkt im ersten Lehrjahr in der Altenpflegerin-Ausbildung in Raguhn-Jeßnitz (Anhalt-Bitterfeld). Sie hatte mit den Angeklagten gemeinsam Dienst.

In einem ersten Verfahren am Amtsgericht Bitterfeld wurden der 34-jährige Frank E. zu einem Jahr und zwei Monaten und der 29-jährige Lars W. zu acht Monaten Bewährungsstrafen verurteilt. Das Landgericht verhandelt nun über die Berufung. Aussage steht gegen Aussage. Die Angeklagten, die bereits seit mehreren Jahren dort als Pflegehelfer tätig waren, streiten alles ab. Die betroffenen Patientinnen selbst können sich krankheitsbedingt nicht mehr äußern.

Der Vorfall liegt bereits über drei Jahre zurück. Am 24. Dezember 2010 sollen die beiden Pflegehelfer mehrere schwer demenzkranke Frauen mit Boxschlägen traktiert, geschubst und mit benutzten Windeln missbraucht haben. Die Frauen erlitten Hämatome an Armen und im Gesicht. Der Bruch des Sprunggelenkes einer Frau soll auf einen übermütigen Sprung eines Angeklagten ins Bett dieser Frau zurückgehen.

Die Hämatome bei den Betroffenen sorgten beim Pflegepersonal damals über die Feiertage zwar für Verwunderung, blieben aber zunächst ohne Folgen. Der Hausarzt der Frau mit der Knöchelverletzung stellte fünf Tage später bei einer Routineuntersuchung die Fraktur fest. Die Heimleiterin kündigte daraufhin Befragungen an.

Erst danach offenbarte sich die Auszubildende der Heimleitung. "Ich hatte Angst, dass mir niemand glaubt. Die beiden Männer waren sehr beliebt. Und ich war erst seit vier Monaten im Heim und noch in der Probezeit", sagte sie gestern im Zeugenstand. Am besagten 24. Dezember habe sie Spätdienst gehabt und zur Mittagszeit mit den beiden Helfern die Bewohnerinnen versorgt. "Sie sollten gesäubert und bekleidet werden", erzählte sie.

In der betroffenen Etage leben 20 Frauen in Zwei-Bett-Einheiten, jeweils mit Wohn- und Schlafraum und Badezimmer. Die Angeklagten wollten Spaß machen, hätten dabei aber einen völlig überdrehten Eindruck gemacht. "Das war beängstigend", so die Zeugin.

"Die Angeklagten waren völlig überdreht." - Justine G., Hauptbelastungszeugin

Nach ihren Schilderungen haben die Männer eine entkleidete Frau mit einer feuchten Windel wie mit einer Peitsche geschlagen und ihr gegen die Oberarme geboxt. Auch sei ihr mit Reinigungsschaumspray für den Genitalbereich in das Gesicht gesprüht worden. Schließlich wurde sie grob ins Bett gestoßen. Im nächsten Zimmer sei einer Frau eine uringetränkte Windel durch das Gesicht gezogen worden. Ihre Zimmergenossin wurde mit einem Schokoladen-Weihnachtsmann beworfen und so schwer im Gesicht getroffen, dass sie zu weinen begann.

Einer der Angeklagten sei zu einer Frau, die ihre Beine schmerzfrei nur noch stark angewinkelt halten kann, ins Bett gesprungen. Dabei könnte dieser Frau das Sprunggelenk gebrochen worden sein. Die Auszubildende selbst sei von den Angeklagten schließlich in ein leerstehendes Bett gestoßen und mit dem Parfüm einer Patientin besprüht worden. Das Bett wurde dabei beschädigt. "Sie haben mir gedroht, dass ich meines Lebens nicht mehr froh werde, wenn ich etwas sage", so die junge Frau im Zeugenstand.

Die Angeklagten arbeiten inzwischen beide nicht mehr als Pflegehelfer. Sie sagten aus, dass sie zwar mit Servietten umhergeworfen hätten und etwas Spaß gemacht haben. "Aber wir haben die Patienten korrekt versorgt", so Lars W. Die Hämatome bei den Patientinnen seien eventuell aufgrund ihrer zum Teil schwachen Knochenstruktur aufgetreten. Auch unterstützen blutverdünnende Mittel die Bildung von "blauen Flecken". Wie die Fraktur entstanden ist, können sich beide nicht erklären. Aber die Patientin, die inzwischen verstorben ist, litt an ausgeprägter Osteoporose. Das Verfahren wird mit der Befragung von Zeugen und Sachverständigen fortgesetzt. Das Urteil soll in der zweiten Julihälfte fallen.