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Briefwahl für den Stendaler Stadtrat wird wiederholt Wahlpanne wird Fall für die Justiz

In Stendal kommt es zu einem Novum in Sachsen-Anhalt: Erstmals muss eine
Stadtratswahl zum Teil wiederholt werden. Grund sind erhebliche
Verfahrensfehler bei der Briefwahl.

09.07.2014, 01:27

Stendal l Recherchen der Volksstimme hatten den Fall ins Rollen gebracht. Durch sie war Anfang Juni ein exorbinant hohes Briefwahlergebnis des CDU-Kandidaten Holger Gebhardt herausgekommen. Der Stadtrat hatte mit 837 Stimmen das viertbeste Ergebnis seiner Partei geholt, allein 689 entfielen dabei auf die Briefwahl. Gebhardt erreichte damit bei den Briefwählern einen Stimmenanteil von 11,3 Prozent, in den 37 Wahllokalen hingegen nur 148 Stimmen. Alles sei dabei korrekt gelaufen, betont Gebhardt. Er habe für sich "massiv um Briefwahlstimmen" geworben.

Stadtwahlleiter und Vize-Oberbürgermeister Axel Kleefeldt (CDU) schloss damals sowohl Fehler bei den Formalitäten oder gar eine Manipulation des Ergebnisses aus. Linke, SPD und Piraten legten indes Wahleinspruch ein.

Vor zehn Tagen platzte eine politische Bombe in der größten Stadt der Altmark: Kleefeldt musste einräumen, dass zwölf Stendaler insgesamt 179 Briefwahl-Unterlagen abgeholt hatten - doch laut Kommunalwahlgesetz sind Vollmachten für maximal vier andere Personen erlaubt.

In einem Fall erstreckte sich die Vollmacht sogar über 30 Briefwähler. Seitdem rätseln viele in der Stadt, wie so etwas passieren konnte - und wer so viele Briefwahl-Vollmachten eingesammelt hat.

Das soll jetzt ein Sonderausschuss unter die Lupe nehmen. Ihn wollen die Fraktionen von Die Mitte (SPD, FDP und Piraten) und Linke auf einer Sondersitzung des Stadtrates beantragen. Am Montag beschlossen sie im Stadtrat mit 20 zu 15 Stimmen zunächst die Nachwahl der Briefwahl - gegen die Stimmen von CDU, Grüne und auch gegen das Votum des Stadtwahlleiters sowie von Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU).

Dabei hatte Kleefeldt Ende Juni selbst die Wiederholung der Briefwahl vorgeschlagen. Am Montagabend machte der Jurist jedoch einen Rückzieher und begründete dies damit, dass er keinen Manipulationsversuch erkennen könne.

Eine Expertise des Landeswahlleiters weist dagegen darauf hin, dass eine Nachwahl geboten ist, wenn ohne den Wahlfehler allein rechnerisch die Sitzverteilung anders hätte ausfallen können. Bei der Stadtratswahl war es knapp: Einer Linke-Kandidatin fehlten vier, einer FDP-Bewerberin sieben Stimmen für den Einzug. Insgesamt geht es um bis zu 537 Stimmen, die so nicht hätten in die Urne gelangen dürfen.

Ein Fragezeichen steht auch hinter zehn Wahlberechtigten, die am Wahltag ihr Wahllokal in der Stadt aufgesucht haben, obwohl bereits ihre Briefwahlstimmen vorlagen. Diese wurden daraufhin aussortiert.

Stadtwahlleiter Kleefeldt berichtete am Montagabend von einem ersten Fall, wo eine Vollmacht offenbar gefälscht worden ist. "Ich prüfe derzeit, ob ich Strafanzeige erstatte", sagte er vor dem Stadtrat. Aus dessen Mitte werden jetzt weitere Strafanzeigen erwogen.