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Hochwasser 2013 "Dass plötzlich alles nichts mehr wert ist..."

Die Hochwasserkatastrophe ist mehr als ein Jahr her, doch sie verfolgt die Magdeburgerin Ingrid Bartel noch immer. Die 74-Jährige hatte ihren Garten 2013 nach Überflutung aufgegeben, doch weiterverkaufen durfte sie ihn nicht. Nun soll sie den von der Stadt verfügten Abriss auch noch mit bezahlen.

Von Jana Heute 21.07.2014, 09:33

Magdeburg l Wer geht, zahlt. Das ist die traurige Erkenntnis für Ingrid Bartel. Einst waren die 600 Quadratmeter Gartenland "Hinter dem Buckauer Friedhof" für sie und ihren inzwischen verstorbenen Mann ihr kleines Paradies. "Wir haben 1986 alles mit eigenen Händen aufgebaut. Hier gab es nur Kraut und Rüben und jede Menge Schuttberge vom Bau an der Schönebecker Straße", erinnert sich Ingrid Bartel. Das ist lange her. Dazwischen liegen glückliche Jahre, die sie in ihrem Gärtchen auf städtischem Grund verbracht haben.

"Nasse Füße hatten wir hier öfter. Das war uns auch allen klar. Dass es aber 2002 und vor allem letztes Jahr so schlimm kommen würde, hatte keiner gedacht", so die 74-Jährige. Die Flut, bei der das Wasser 1,78 Meter hoch im Garten von Ingrid Bartel stand, veränderte alles. Noch einmal neu anfangen? "Das kam für mich nicht in Frage. Ich kann das gesundheitlich nicht mehr", berichtet die Magdeburgerin. Und war glücklich, weil eine junge Familie Interesse an der Übernahme des Gartens zeigte, in den die Bartels über die Jahre schätzungsweise 30.000 Euro gesteckt hatten.

"Ich war so froh und habe meinen Pachtvertrag bei der Stadt im Juli 2013 gekündigt", erzählt sie. Doch das hat Ingrid Bartel bald bereut. Ohne Vorwarnung und Information seitens der Stadt als Verpächter habe es plötzlich geheißen: Weiterverkauf (im Sinne einer Zahlung für Bebauung/Bepflanzung) geht nicht! In langen Briefen erklärte das Liegenschaftsamt der geschockten Frau, warum das so sei. Mehrere Hochwasser hätten das Erholungsgebiet am Bisamweg und Mäusering seit 2002 heimgesucht.

Die Gärten lägen im Überschwemmungsgebiet der Elbe, weshalb auch Dauerabschläge bei der Pacht gewährt worden seien. Nach 2013 habe die Stadt nun entschieden, bei Kündigung der Pächter die Gärten nach und nach aufzugeben und zurückzubauen. Gegenüber der Volksstimme bestätigt die Stadt dies und kündigte an, den Flächennutzungsplan entsprechend zu ändern. Daher: Kein Verkauf an Nachpächter. Insgesamt vermietet die Stadt in dem Bereich Bisamweg derzeit 85 Grundstücke, die nicht dem Kleingartengesetz unterliegen. Die Pächter könnten diese nutzen, solange dies möglich sei, und sich "auf die Beendigung der Nutzung vorbereiten", hieß es. Langfristig soll das Gebiet renaturiert werden.

"Wir dürfen zwar noch hierbleiben, fühlen uns aber alle schon enteignet", sagt Gartenpächter Bodo Moser, der mit seiner Ehefrau auch nach der Flut 2013 am Mäusering geblieben ist. Für ihre ehemalige Gartennachbarin Ingrid Bartel ist es bitter, "dass das plötzlich alles nichts mehr wert ist". Ein Jahr lang hat sie an der schwierigen Situation zu knabbern gehabt, nur langsam legt sich der Stress.

Im Amt habe man ihr gesagt, dass sie mit ca. 3000 Euro Eigenbeteiligung an den Abrisskosten rechnen müsse. Die Stadt beruft sich dabei auf das Schuldrechtsanpassungsgesetz, wonach es bei Eigenkündigung keine Entschädigung gibt und der Eigentümer (hier die Stadt) bis ein Jahr nach Nutzungsende die Hälfte der Abrisskosten verlangen kann. "Das kann nicht sein", findet Bodo Moser und fordert, dass die Stadt wenigstens einen kleinen Ausgleich an die Gartenpächter zahlt dafür, dass sie nicht weiterverkaufen dürfen. "Ich wäre schon froh, wenn ich jetzt mit null raus käme", ergänzt Ingrid Bartel.