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Niedersächsischer Modellversuch Hausarztmangel: Rollende Arztpraxis ausgebremst

Das deutschlandweit einzigartige Modellprojekt "Rollende Arztpraxis" in Niedersachsen steht nach einem Jahr wieder vor dem Aus. Auch für den Hausarztmangel in Sachsen-Anhalt soll der mobile Doktor keine Lösung sein. Die Kassenärztliche Vereinigung setzt stattdessen auf Filialpraxen.

08.08.2014, 01:14

Wolfenbüttel/Magdeburg (dpa/st) l Die bundesweit erste "Rollende Arztpraxis" wird voraussichtlich nur noch bis Ende des Jahres im niedersächsischen Landkreis Wolfenbüttel unterwegs sein. Damit läuft das Modellprojekt wie geplant aus. Es trage sich wirtschaftlich nicht, weil die Auslastung insgesamt noch zu gering sei, sagte Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD). Seit dem 6. August 2013 fährt ein Arzt mit der in einem Wohnmobil eingerichteten Praxis regelmäßig Dörfer an. Bei dem durch das Land Niedersachsen geförderten Projekt geht es darum, Lösungen für den künftigen Ärztemangel auf dem Land zu finden.

Insgesamt ziehen die Initiatoren aber eine positive Bilanz. Besonders ältere und wenig mobile Menschen nehmen die Leistungen des rollenden Arztes in Anspruch. Nach Angaben des Landkreises liegt ihr Durchschnittsalter bei 77 Jahren. Oftmals leiden sie an chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz oder Diabetes. Zu festen Sprechzeiten jede zweite Woche können sie im Gemeinschaftshaus ihres Dorfes auf den mobilen Mediziner warten. Wenn nur morgens und abends ein Bus in den nächsten größeren Ort mit einem Hausarzt fährt, ist das Angebot ein Riesenvorteil. Allerdings hatten sich nur einige Krankenkassen beteiligt.

Für die Kassenärztliche Vereinigung in Sachsen-Anhalt ist die "Rollende Arztpraxis" keine nachahmenswerte Idee. Trotz dramatischer Prognosen, was die Besetzung der 1400 Hausarztstellen angeht (siehe Infokasten), sehe man das Projekt nicht als Option gegen den hiesigen Ärztemangel an, sagte KVSA-Vorsitzender Burkhard John der Volksstimme. "Die Zeit, die der Arzt mit dem Fahren verbringt, ist zu wertvoll", so John.

Stattdessen setzt die KVSA bei der Abdeckung erheblicher Versorgungsengpässe seit 2010 auf die Einrichtung von Filialpraxen, in denen angestellte Ärzte ohne finanzielles Risiko arbeiten. John kann sich vorstellen, dass die Patienten in Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen Personennahverkehr mit Rufbussen zu den Praxen gefahren werden.

Möglicherweise wird die "Rollende Arztpraxis" demnächst in anderen Regionen eingesetzt. "Wir haben unter anderem Anfragen aus Brandenburg und aus Dänemark", sagte Landrätin Steinbrügge. Das Leistungsangebot in den Dörfern entspricht etwa 20 Prozent einer kompletten Hausarztstelle. Die drei rollenden Ärzte sind bei der KVN angestellt und haben die Aufgabe Bezirkschef Hofmann zufolge vor allem aus persönlichem Engagement übernommen. "Fast alle waren eigentlich schon im Ruhestand."