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Kommunalfinanzen "Jetzt muss auch mal Schluss sein"

Der Streit um die Kommunalfinanzen geht auch nach dem Einlenken von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) weiter. Kreise, Städte und Gemeinden dringen auf mehr Geld. Bullerjahn fordert die Kommunen zu mehr Zurückhaltung auf.

Von Michael Bock 04.09.2014, 03:10

Magdeburg l Die SPD-Landtagsfraktion hatte am Dienstagabend mitgeteilt, dass die geplanten Kürzungen beim kommunalen Finanzausgleich (FAG) in den nächsten beiden Jahren um insgesamt 86,5 Millionen Euro abgeschwächt werden. Finanzminister Bullerjahn will dem Kabinett am Dienstag ein Papier vorlegen, in dem er deutlich von seiner ursprünglichen Position abrückt. "Das ist politisch vertretbar", sagte er am Mittwoch der Volksstimme. Aber: "Jetzt muss auch mal Schluss sein."

Zunächst war geplant gewesen, die FAG-Gelder im nächsten Jahr um 130 Millionen Euro auf dann 1,44 Milliarden Euro zu kürzen. Jetzt ist vorgesehen, rund 92,5 Millionen Euro zu streichen. Und: 2016 sollten eigentlich rund 160 Millionen Euro eingespart werden; jetzt sollen es noch etwa 111 Millionen Euro sein.

"Man darf mit seinen Forderungen nicht zu sehr vom tatsächlichen Leben abrücken." Finanzminister Jens Bullerjahn

Den kommunalen Spitzenverbänden geht das nicht weit genug. Die Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes sowie des Landkreistages, Jürgen Leindecker und Heinz-Lothar Theel, bekräftigen gestern, dass sie die Kürzungen komplett ablehnen. Im Gegenteil: Die Kommunen würden gegenüber 2014 sogar noch 100 Millionen Euro extra benötigen. Sie verweisen darauf, dass schon in diesem Jahr jede zweite Gemeinde einen unausgeglichenen Haushalt aufweist. Leindecker sagte: "Die Lage ist sehr angespannt." Theel sprach nach Bullerjahns Einlenken von einem "Schritt in die richtige Richtung". Dies belege, dass der erste Ansatz "weit überzogen" gewesen sei.

Die Position der Spitzenverbände bringt Bullerjahn mächtig in Harnisch. Deren Wünsche könne man "überhaupt nicht erfüllen", sagte er. "Man darf mit seinen Forderungen nicht zu sehr vom tatsächlichen Leben abrücken. Ich wünsche mir mehr Zurückhaltung." Jeder schaue nur auf sich, kritisierte er. Es gebe aber eine Gesamtverantwortung für den Landeshaushalt. Dass zum Beispiel das Land eine Gesamtverschuldung von 20 Milliarden Euro habe, werde von den Kommunalvertretern nur "in einem Sternchenverweis zur Kenntnis genommen". Bullerjahn betonte, dass die Finanzausstattung der Kommunen in Sachsen-Anhalt "sehr gut" sei. Er verwies darauf, dass das Land über das Programm Stark II erfolgreich die kommunale Entschuldung vorantreibe.

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte am Dienstag gesagt, Sachsen-Anhalt habe im Bundesvergleich "überwiegend stabile Gemeinden".

SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben sagte, man habe "für das FAG eine ausgewogene Lösung gefunden, die den Kommunen eine vernünftige Finanzierung ermöglicht, ohne das Land über Gebühr zu belasten". Dem widersprach gestern prompt ein einflussreicher Parteifreund, Magdeburgs SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper. Die Kürzungspläne seien "willkürlich", sagte er der Volksstimme. Sollte es dabei bleiben, komme die Stadt in eine finanzielle Situation, "die nicht mehr beherrschbar ist", befürchtet er.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende André Schröder sagte, mit den Änderungen gehe der Finanzminister einen großen Schritt auf die Kritikpunkte der Union ein. "Dass Berechnungsfehler und nicht nachvollziehbare Ländervergleiche oder Benchmarks im Gesetzentwurf verschwinden, wurde von uns bereits im Juli gefordert."

Er kritisierte das Vorgehen des Koalitionspartners SPD, der die Änderungen in einer Presseerklärung am Dienstagabend mitgeteilt hatte. Die Sozialdemokraten hätten versucht, das Thema allein für sich zu reklamieren, noch bevor das Kabinett seinen ersten Beschluss dazu korrigiert habe, so Schröder.

"Ungewöhnlich ist der Versuch der SPD, das Thema allein für sich zu reklamieren." CDU-Fraktionschef André Schröder

Das sei "ungewöhnlich". Es sei für die SPD offenbar wichtig, "die Korrekturen nun schnell auf eigene politische Rechnung verkaufen zu wollen". Aus CDU-Sicht blieben aber "weitere Problemfelder" für die parlamentarische Beratung, sagte er.

Die oppositionellen Grünen kritisierten, dass nach den Korrekturen die Grundlage der Finanzierung unklar bleibe. Die Linke kündigte Widerstand gegen die Kürzungspläne bei den Kommunen an. Meinung