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Abgabengesetz Hausbesitzer stehen vor Rechnungsflut

19.09.2014, 07:35

Magdeburg l Das neue Kommunale Abgabengesetz - kurz KAG - hat es in sich. Von ihm hängt ab, ob nächstes Jahr gut 50 000 Hausbesitzern, Betrieben und Wohnungsgesellschaften Rechnungen über einige Tausend Euro ins Haus flattern oder nicht. Oder anders gesagt: Ob die Gemeinden und ihre Abwasserverbände von Eigentümern gut 100 Millionen Euro kassieren können. Gestern wurde der aus dem Innenministerium stammende Gesetzentwurf erstmals von den Fraktionen im Landtag beraten. Entschieden wird Ende des Jahres. In der Debatte gestern machte die Koalitionsmehrheit von CDU und SPD klar, worauf es hinausläuft: Auf die Eigentümer kommt 2015 eine Rechnungsflut zu.

Worum geht es? Wer ab 1991 ans Kanalnetz angeschlossen wurde, musste einen so genannten Herstellungsbeitrag bezahlen. Dieser fällt zusätzlich zu den Mengengebühren an. Pro Grundstück sind meist mehrere Tausend Euro fällig. Lange umstritten war, ob auch Eigentümer zahlen müssen, deren Haus schon vor 1991 an den Kanal gekommen war. Für sie ersann Sachsen-Anhalt nach langem Streit einen "besonderen Herstellungsbeitrag": Der fällt etwas niedriger aus, dennoch sind pro Haus im Mittel gut 2000 Euro fällig.

Viele Gemeinden lassen Eigentümer im Unklaren

Obgleich die Rechtslage seit 2008 klar ist, haben viele Gemeinden bis heute keine Rechnungen verschickt und die Eigentümer im Unklaren gelassen. Diese Unsitte stoppte das Bundesverfassungsgericht 2013. Es sah einen Verstoß gegen das Prinzip der Belastungsklarheit und Vorhersehbarkeit. Die Länder waren gefordert, Verjährungsfristen zu regeln. Sachsen-Anhalts Regierung schlägt zehn Jahre vor. Aber: Die Regel soll erst ab 2016 gelten, so dass die Gemeinden ein Jahr Zeit haben, alte Rechnungen begleichen zu lassen. "Das ist nicht nur frech, sondern ein Rechtsverstoß", sagte Gerhard Grünert (Linke). Auch die Grünen meinten, dass Verfassungsmäßigkeit sofort herzustellen ist. "Außerdem hatten die Gemeinden genug Zeit, ihre Forderungen zu erheben", sagte ihr Innenpolitiker Olaf Meister. Die CDU verteidigte das Übergangsjahr. Innenpolitiker Ralf Wunschinski warnte, dass die Gemeinden andernfalls die Einnahmeausfälle auf anderen Wegen ausgleichen würden: Mit höheren Mengengebühren für alle Bürger oder durch Ausgleichszahlungen aus der Landeskasse. Silke Schinder von der SPD sagte, dass Sachsen-Anhalt die kürzesten Fristen aller Ost-Länder habe.

Wenig tröstend für die Eigentümer: Der Verband Haus und Grund plant eine landesweite Protestaktion.